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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL182
auch sehr nützlich, halt auch wieder dieses allround-mäßige. Also du konntest auch in der
Stadt damit noch was anfangen, weil das Acog-Visier glaub ich nur 3,5 fach vergrößert
und du da halt immer noch nen Überblick hast, und halt trotzdem noch diese 30 Schuss
im Magazin, die Semi-Automatik, also da kannst du ganz schnell schießen.“ (IV8)
Dieser hier bewusst in seiner ganzen Länge angeführte Interviewausschnitt ver-
deutlicht den Detailreichtum des Wissens vieler Spieler über die von ihnen bevor-
zugten virtuellen Waffen. Häufig informieren sie sich auch während der Nicht-
Spiel-Zeit in Internetforen über die Vor- und Nachteile ihrer Lieblingswaffen oder
schauen YouTube-Videos an, in denen andere Spieler deren erfolgreichen Einsatz
demonstrieren. Entscheidend ist im Endeffekt immer, was man mit dieser Waffe
tun kann, oder anders gewendet, wie – also in welchen Situationen und mit wel-
cher Qualität – man mit ihr virtuell töten kann. Die Praktiken des Aushandelns
von Vorlieben, also deren Artikulation und Diskussion, aber auch das Fachsim-
peln oder die Informationsbeschaffung, arbeiten damit auf eine Variation und
Erweiterung der virtuell-körperlichen Erfahrungen hin, die im Prozess ludisch-
virtueller Gewalt gemacht werden können.
Natürlich bilden sich dabei nicht nur Trends für besonders beliebte Waffen
heraus, sondern teils wird die Benutzung bestimmter Waffen kritisiert oder
gar tabuisiert. Insbesondere solche Waffen, die unter Spielern als übermäch-
tig bewertet werden, geraten schnell in Verruf und gelten fortan als „gay“ oder
als „Noob-Waffen“ (FT) – sie sind „schwul“, also in der Sprachlogik der oft von
‚männlichem Gehabe‘ geprägten Spielergruppen (vgl. auch Kap. 3.1.6) für Feig-
linge, oder eben für Neulinge, die nichts drauf haben. Denn dass Spieler mit be-
sonders mächtigen Waffen durch zahlreiche Kills viele Erfolgserlebnisse haben,
nehmen andere als Ungleichgewicht wahr und werten ihre im Gegenzug seltene-
ren Erfolgserlebnisse durch eine ideele Erhöhung der von ihnen selbst bevorzug-
ten Waffe auf. Schafft beispielsweise ein Spieler in Counter-Strike einen Headshot
mit der schwer zu spielenden Scharfschützenwaffe Scout (die nur bei reaktions-
schnellen und hochpräzisen Treffern tödlich ist), ist ihm die Anerkennung seiner
TeamkollegInnen sicher. Auf diese Weise regulieren Spielkulturen die Balance
der emotionalen Erfahrungen, die durch den Einsatz verschiedener virtueller
Waffen gemacht werden können.
Waffen als schöne Dinge
Waffen sind aber nicht nur Teil der embodiment relation zwischen Spieler und
Avatar, sondern sie nehmen zugleich einen Sonderstatus als Objekte ästheti-
scher Erfahrung ein. Augenfällig wird das bereits in der historischen Rückschau.
Spätestens seit Mitte der 1990er-Jahre, als die Freude an virtuellen Waffen und
Zerstörung enttabuisiert wurde, finden sich zahllose Abbildungen der sorgfältig
in 3D animierten Waffen in Testberichten von Ego-Shootern wieder, oft in Form
großformatiger Kollagen. Ein Testbericht zum Ego-Shooter Turok 2 zeigt gleich
21 Waffen des Spiels, Überschrift: „Die schärfsten Waffen aus Turok 2“ (empfoh-
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364