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VIRTUELL-KÖRPERLICH 191
von Spielern einen bestimmten Ort innerhalb der Landschaft, um dort stunden-,
tage- oder nächtelang zu looten.
Reizvoll ist das für sie einerseits, weil sie sich dabei einer permanenten virtu-
ell-körperlichen Bedrohungssituation aussetzen: Jederzeit könnten sie von Zom-
bies oder anderen Spielern angegriffen werden, was positiv gedeutete Erfahrun-
gen von Spannung und Stress ermöglicht (vgl. Kap. 3.2.1). Zugleich aber wird das
Finden wertvoller virtueller Gegenstände selbst zur positiv gedeuteten emotiona-
len Erfahrung: „Oha, hier ist nen Coyote!“, freute sich beispielsweise mein Mit-
spieler Kerby im Sprachkanal, als er eines Tages einen besonders wertvollen, gro-
ßen Rucksack fand. „Holy shit!“, fügte er sogleich überrascht an: „Und ne AKM
[Vollautomatisches Sturmgewehr, C.B.]! Ist ja wie Weihnachten hier.“ Doch damit
nicht genug, er sah sich weiter um und staunte erneut: „Holy crap! Hier liegt eine
M24 mit Munni [seltenes Scharfschützengewehr mit Munition, C.B.]. Ist ja wie
Weihnachten und Ostern zusammen!“ (FT)
Genau wie Kerby und auch ich selbst in obigem Beispiel teilen die meisten
Spieler ihre Funde im Regelfall den anderen Spielern im Sprachkanal mit. Nicht
selten antworten die anderen, indem sie ihren Neid bekunden oder auch einfach
zum guten Fund beglückwünschen. Wenn ein Spieler gerade alleine im Sprach-
kanal ist, teilt er sich vielleicht auch auf andere Weise mit. So erhielt ich eines Ta-
ges (als ich nicht im Spiel oder Sprachkanal war) eine Textnachricht von meinem
16-Jährigen Mitspieler Joey über die Spieleplattform Steam, mit dem Inhalt: „*-*“.
Dieses Emoticon symbolisiert ein andächtig erstummtes Gesicht mit vor Stau-
nen funkelnden Augen. Kurz darauf erklärte er: „habe ne m4 mit schalldämpfer,
zweibein,buttstock,cco visier [seltene Waffe mit allem möglichen Zubehör, C.B.]
ist hammer :D [breit grinsender Smiley, C.B.].“ (FT)
Im Interview spricht der 37-Jährige Manny von „Hochgefühlen“ im Zusam-
menhang mit dem Finden seltener Gegenstände: „Wenn man irgendwas gefun-
den hat, was man schon ewig haben wollte, wie zum Beispiel mal ne M40 [selte-
nes Scharfschützengewehr, C.B.] oder so, wo ich wochenlang hinterhergerannt
bin, die ich zum Verrecken nicht gefunden habe: Da freut man sich.“ (IV12) Al-
lein die Möglichkeit, einen so seltenen Fund machen zu können, wird zur verhei-
ßungsvollen Motivation. „Ja, das ist ja so ein halbes Glücksspiel, ne?“, kommen-
tiert Onkie im Interview. „[E]s besteht ja immer die Chance, du könntest es jetzt
… wenn du jetzt um die Ecke läufst und findest es so.“ (IV15) Und auch der Spieler
Tobi meint: „So ein bisschen was als Erfolgserlebnis möcht ich [...] immer gerne
mitnehmen.“ (IV21)
Es ist einerseits der Seltenheitswert bestimmter Waffen und Gegenstände, der
die Spieler bei einem Fund positiv gedeutete emotionale Erfahrungen machen
lässt. Vor allem aber ergibt sich die Freude an gutem Loot aus dem verbesserten
Aktionspotenzial, das beispielsweise durch neue und stärkere Waffen erworben
wird. Als Theo während des Spielens ein Magazin für ein Scharfschützengewehr
findet und zu seinem Kumpel Darkdragon meint: „Ooohhh Dragon! Ich hab ein
DMR Mag gefunden!“, hebt letzterer die Stärke der Waffe hervor: „Siehste, dann
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364