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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL192
sind es schon 40 Tote [hier: getötete Gegenspieler, C.B.].“ (FT) Mit anderen Wor-
ten: Indem man eine gute Waffe oder in diesem Fall Munition dafür findet, er-
wirbt man nicht nur einen seltenen Gegenstand, sondern verbessert das Aktions-
potenzial des eigenen Avatars zur Ausübung von Computerspielgewalt.
„Dann gibt’s auf die Fresse ihr Mobs!“
Noch deutlicher wird das in Massively-Multiplayer-Online-Role-Playing-Games
wie dem in der vorliegenden Studie untersuchten The Elder Scrolls Online. Wäh-
rend in DayZ die Zombies und auch die Waffen stets gleich stark und effektiv blei-
ben, wächst in TESO die Stärke der Gegner mit. Immer größere und mächtigere
computergesteuerte Kreaturen treten dem eigenen Avatar entgegen und dement-
sprechend bessere Schwerter, Bögen oder Kampfzauber muss er finden.
Auf diese Weise wird in TESO ein (mindestens) 200-300 Spielstunden andau-
ernder Prozess der permanenten Steigerung der eigenen Kampfstärke erreicht.
Neue Waffen findet man in Schatztruhen und anderen Behältnissen oder indem
man computergesteuerte Gegner tötet. Die Endbosse in schweren Gebieten „drop-
pen“, wie es im Spielerjargon heißt, das beste Loot. (FT) Ein klassischer Witz aus
der Spielkultur des bekannten MMORPG World of Warcraft bringt die Fixierung
vieler Spieler auf solche Drops ironisch auf den Punkt: Im Chat-Kanal von WoW
verkündet ein Spieler 2005 nach dem Tod von Johannes Paul II., der Papst sei tot.
Fragt ein anderer: „Und was hat er gedroppt?“270
Nicht jedes Stück Loot kann auch von jedem Avatar genutzt werden. In TESO
beispielsweise ist das Looten untrennbar verknüpft mit dem sogenannten Stu-
fenanstieg, das heißt, mit der permanenten Weiterentwicklung der Stärken und
Fähigkeiten des eigenen Avatars. Um eine Stufe aufzusteigen, muss der Avatar
Erfahrungspunkte sammeln. Die erhält er, indem er sogenannte Quests bezie-
hungsweise Aufträge erledigt, die ihm von verbündeten computergesteuerten
Personen in der virtuellen Umwelt gegeben werden, und indem er (meistens wäh-
rend solcher Quests) computergesteuerte Gegner vernichtet. Eine Quest kann bei-
spielsweise darin bestehen, ein wertvolles magisches Artefakt zu finden, ein Dorf
mit Unschuldigen vor attackierenden Dämonenwesen zu schützen oder einen
Spion innerhalb des Königshofs zu entlarven – je stärker die dabei bekämpften
Gegner und je schwerer die Quest, desto mehr Punkte gibt es.
In vielen MMORPGs werden die erreichten Punkte auch anschaulich visu-
alisiert. Während TESO hier in der Darstellung zurückhaltend ist, werden bei-
spielsweise in World of Warcraft, aber auch in Shootern wie Battlefield 3+4, die
erreichten Erfahrungspunkte direkt im Moment des Tötens eines Gegners über
dessen Leiche angezeigt. Auf diese Weise wird die Freude am Ansammeln von
Erfahrungspunkten mit Effektstaunen und Einschlagslust in der Ausübung von
Computerspielgewalt zusammengeführt.
270 | Vgl. bspw. http://eu.battle.net/wow/de/forum/topic/2064226888?page=4
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364