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DRAMATISCH UND DEVIANT 287
„20:02 :DD die hat es verdient :D“
„20:03 wer hat sich keinen abgelacht :D“
„20:04 :O [schockiert staunendes Emoticon, C.B.] Gronkh du Rassist xD“
„hahahaha :D 20:02 wie das aussieht :D“
„20:00 haha was ne zuhälter Schelle :DDDDD“
„wat’n Nackenklatscher bei 20:03 xD“
„20:02 beste Szene :D BATSCH!“
„20:03 wie er er einfach mal die Alte da wegklatscht Xd“
„19:58 lachflash xDDDDDD“
„20:01... Ich lag halb unterm Tisch vor Lachen... Das sieht dermaßen asig aus :D“69
Die virtuelle Transgression von Verhaltens- und die kommunikative Transgres-
sion von Gefühlsregeln werden offensichtlich auch von den ZuschauerInnen als
lustig empfunden. Einige der Kommentare heben dabei die Besonderheiten die-
ser Situation hervor: Erstens wird eine Unbeteiligte, zweitens eine Mexikanerin
und drittens eine Frau geschlagen, was als gleichzeitige Übertretung mehrerer
Tabus gedeutet werden kann. Dass es hier um ludisch-virtuelle Gewalt gegen eine
weibliche Passantin geht, bedeutet im Gegenzug nicht, dass Erfahrungen der
Überschreitung zwangsläufig männlich konnotiert sind. Als männlicher Spieler
virtuell eine weibliche Passantin zu schlagen, scheint den Tabubruch aber – so
legen es zumindest Kommentare wie: „Oah Gronkh du schlägtst Frauen? Nein
Spaß geilste Stelle ever XD“ (s.o.), nahe – nochmals deutlicher hervorzuheben.
Andere Kommentare wie: „Das sieht dermaßen asig aus :D“ (s.o.), sprechen
aber auch einen bisher nicht behandelten Aspekt an, nämlich dass ein Teil der
Situationskomik aus der besonderen virtuell-körperlichen Animation des Schlags
beziehungsweise dem simulierten physikalischen Effekt resultiert. Tatsächlich
holt der Avatar bei seinem Schlag übertrieben weit aus, der Treffer gibt ein un-
natürliches Klatschgeräusch von sich und der Getroffenen fliegt die Mütze in
hohem Bogen davon. Auch beim Überfahren von Unbeteiligten entstehen teils
ähnlich groteske Bewegungsabläufe.
Im Bereich filmischer Unterhaltung wird dieses Potenzial längst routiniert
angewandt und meist mit dem Genrebegriff „Slapstick“ in Verbindung gebracht.70
Auch hier werden Repräsentationen physischer Gewalt mit ‚unnatürlichen‘ phy-
sikalischen beziehungsweise körperlichen Effekten in Szene gesetzt. Sie werden
überzogen dargestellt und erzeugen dadurch den Eindruck des Hyperbolischen,
also des in der Repräsentation Übertriebenen.71 Auch diese Art der Übertreibung
69 | Vgl. https://www.youtube.com/all_comments?v=acwF4TxjWdg
70 | Vgl. Lothar Mikos: „Kann Gewalt denn lustig sein?“ Ästhetik der Gewaltdarstellung in
Cartoons und Komödien. In: tv diskurs 22 (2002), H. 4, S. 12-17, hier: S. 14-15.
71 | Vgl. Muriel Andrin: Back to the „Slap“. Slapstick’s Hyperbolic Gesture and the Rhe-
toric of Violence. In: Tom Paulus/Rob King (Hg.): Slapstick Comedy. New York 2010, S.
226-235, hier insbesondere: S. 230-231.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364