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Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung,
1899–191850
reich bald mit allerlei Ruhmestiteln für ihre wissenschaftlichen Errungenschaften
schmücken konnten. Die patriotische Stoßrichtung dieser Initiative wurde von dem
Wiener Mäzen, Hof- und Gerichtsadvokaten Karl Kupelwieser geteilt, der einige Jahre
darauf die Sorge formulierte,
»dass meine Heimat Österreich etwa verabsäumen könnte, sich eines der größten ihm von
der Natur überlassenen Schätze, nämlich des Minerales Uran-Pechblende, wissenschaftlich
zu bemächtigen, […]. Ich wollte, so weit meine Kräfte reichen, zu verhindern trachten, dass
mein Vaterland die Schande treffe, dass es eine ihm gewissermaßen als Privilegium von der
Natur zugewiesene Aufgabe sich habe von anderen entreißen lassen.«96
Deshalb stellte er der Akademie eine Spende über 500.000 Kronen für ein Institut in
Aussicht, das sich gänzlich der »physikalischen (nicht ärztlichen) Erforschung des Ra-
diums« widmen sollte.97
Das Institut für Radiumforschung war die erste wissenschaftliche Einrichtung, die
sich ausschließlich der Radioaktivitätsforschung widmete. Weitere Institute entstanden
etwa zur selben Zeit in Paris, Warschau, Berlin und anderen deutschen sowie einigen
skandinavischen Städten. Das Institut für Radiumforschung war institutionell an die
Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien angebunden. Darin unterschied es
sich von dem 1904 eröffneten Laboratoire Curie in der Pariser rue Cuvier, das die
Curies mit den Geldern des Nobelpreises für Physik (1903) eröffnet hatten und das
dem Lehrstuhl Pierre Curies an der Sorbonne zugeordnet war.98 Die Kupelwieser’sche
Schenkung diente der Akademie als Startkapital, um das Institut zu bauen und instru-
mentell auszustatten. Die Kosten für den Unterhalt und die Besoldung des Personals
übernahm allerdings, dem Wunsch des Stifters folgend, das k. k. Unterrichtsministe-
rium in Wien. Exner selbst sah das Institut für Radiumforschung zunächst eher als
Unterabteilung des von ihm geleiteten II. Physikalischen Instituts, »aber mit einer ge-
wissen nominellen Selbständigkeit, schon um den Intentionen der Stifter gerecht zu
werden«. Beide Institute arbeiteten über Jahrzehnte sehr eng zusammen, und das Mi-
nisterium hatte bei der personellen und materiellen Ausstattung des Instituts für Radi-
umforschung eine gewichtige Stimme. Als Einrichtung der Akademie war es jedoch
ausschließlich der Forschung verpflichtet.99
96 Almanach 1911, 212.
97 Almanach 1911, 215.
98 Vgl. Boudia 2001, 83.
99 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 19, Fiche 303 : Schweidler an Meyer vom 31.7.1908.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369