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Das Zentrum formiert sich 63
aus Finnland.167 Vereinzelt forschten auch Gäste aus Belgien, Großbritannien und aus
Übersee am Institut.168 Bei den Genannten handelte es sich ausnahmslos um bereits
promovierte oder habilitierte Persönlichkeiten.169
Die Offenheit für ausländische Besucherinnen und Besucher trug dazu bei, Wiener
Radioaktivisten und Radioaktivistinnen die Türen ausländischer Laboratorien zu öff-
nen.170 Während die älteren Exner-Schüler die deutschsprachigen Gebiete der Öster-
reichisch-Ungarischen Monarchie nur selten verließen, um andernorts zu forschen und
zu lehren, zog es die Jüngeren zumindest zeitweilig ins Ausland. Unter ihnen war der
Radiochemiker Fritz Paneth, der 1912 zum Assistenten am II. Physikalischen Institut
der Universität Wien ernannt wurde, bevor er 1913 als Forschungsstudent bei dem
Begründer der Isotopentheorie Frederick Soddy in Glasgow und später bei Ernest
Rutherford in Manchester arbeitete. Als Assistent am Institut für Radiumforschung
führte er zwischen 1914 und 1916 seine Forschungsarbeit zu Isotopen gemeinsam mit
dem Budapester Physikochemiker Georg von Hevesy weiter.
Georg von Hevesy kam, nachdem er zuvor ebenfalls in Manchester geforscht hatte,
1913 nach Wien und brachte die Verhältnisse, wie er sie wahrnahm, in einem privaten
Brief an Rutherford auf den Punkt :
»In Vienna I called on Prof. St[efan]. Meyer, who showed me round his laboratory. It is a
very fine place, the[y] have plenty of room and a lot of new apparatus. If the latter and a lot
of radium would be sufficient to make important discoverys [sic !], the[y] should be make
[sic !] them. Unfortunately it does not seem to be the case. […]. In the Viennese Laboratory
somebody [Fritz Paneth, S. F.] is working since a long time on the same subject, but so far
without any result.«171
Es ist aus der Rückschau schwer zu bewerten, ob sich Hevesy mit diesem Seitenhieb bei
Rutherford empfehlen wollte, der mit geringeren materiellen Mitteln auskommen
musste als seine Wiener Kollegen, oder ob seine Einschätzung begründet war. Festzuhal-
ten bleibt, dass Hevesy in der Folgezeit wiederholt nach Wien kam, um am Institut für
Radiumforschung zu arbeiten. In Budapest fehlte es nicht nur an der notwendigen
167 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 29, Fiche 398 : Meyer an Dopsch ( ?) vom 8.1.1923.
168 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 16, Fiche 253 : Lind an Meyer vom 11.11.1911.
169 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 10, Fiche 154 : Beck an Exner vom 3.12.1911, ebd., K 17,
Fiche 270 : Nordström an Meyer vom 22.1.1911 ; ebd., K 19, Fiche 312 : Friedrich an Meyer vom
26.7.1917.
170 Vgl. Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Berlin, ab sofort : AMPG, III. Abt., Rep. 45 NL Paneth, Nr.
100 : Paneth an Soddy vom 5.3.1913.
171 CUL, RC, Add 7653, H 126 : Hevesy an Rutherford vom 14.2.1912.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369