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Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 95 ringes Einkommen, dass sie auf öffentliche Armenspeisungen und Kleiderzuteilungen angewiesen waren.6 Die wirtschaftliche Misere wirkte sich auch nachteilig auf die internationale Mobilität aus ; Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Österreich wurden im Ausland weniger sichtbar. Die wenigsten besaßen die nötigen Mittel, um Studien- oder Kongressreisen ins Ausland zu bezahlen. Die wissenschaftliche Infra- struktur war angesichts des zerrütteten Staatshaushaltes nur schwer zu erhalten und auszubauen. Zwar stiegen die jährlich ausgezahlten Zuschüsse des Bundesministeriums für Inneres und Unterricht an Institute und Bibliotheken im Vergleich zur Vorkriegs- zeit nominell an, und die Wiener Professoren wurden anders als ihre Kollegen in Graz und Innsbruck seit Juli 1921 an den Kollegiengeldern der Studierenden beteiligt. Die galoppierende Inflation fraß die Zulagen aber umgehend wieder auf. Die Universitäts- institute mussten von den staatlichen Dotationen neben Assistenten, Technikern und wissenschaftlichen Gehilfen auch die Instrumente und Apparate für Forschung und Lehre, die Energieversorgung, alle anfallenden Renovierungsarbeiten sowie die wissen- schaftliche Literatur bezahlen. Ein speziell für Forschung reserviertes Budget war nicht vorgesehen. Stefan Meyers Freund und Kollege Egon von Schweidler sah in Innsbruck »die Zeit kommen, wo das experimentelle Arbeiten unmöglich wird wegen der Teue- rung der Apparate und gemeinen Utensilien und Rohstoffe«.7 Den Universitäten in anderen Nachfolgestaaten der Monarchie, wie etwa an der Universität Lwów/Lemberg in Polen, ging es sogar noch schlechter. Dort machte der Mangel an Instrumenten und ausländischer Literatur die Radioaktivitätsforschung fast ganz unmöglich.8 Das Institut für Radiumforschung befand sich als außeruniversitäre Forschungs- einrichtung in einer ähnlich desolaten Lage wie die Universitäten. Der vom Bundes- ministerium für Inneres und Unterricht gewährte finanzielle Zuschuss betrug 1921 nur 2.000 Kronen, was angesichts der Hyperinflation einem Gegenwert von weniger als einem Pfund Sterling entsprach.9 Die Radioaktivitätsforschung aufrechtzuerhalten, schien angesichts der verzweifelten finanziellen Situation und des alltäglichen Überle- benskampfes fast aussichtslos. Allerdings speiste sich nur ein Teil des Institutsbudgets aus staatlichen Dotationen. Hinzu kamen unregelmäßig eingehende Eichtaxen, die 6 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 16, Fiche 256 : Meyer an Lindemann vom 4.5.1920. 7 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 19, Fiche 306 : Schweidler an Meyer vom 28.2.1920. 8 Vgl. CUL, RC, Add 7653, L 144 : Loria an Rutherford vom 29.3.1921. 9 Die geringe Höhe des Zuschusses wird deutlich, wenn man sie mit damals gängigen Grundnahrungs- mittelpreisen vergleicht. Ein Kilogramm Rindfleisch kostete im Frühjahr 1921 300 Kronen und ein Kilogramm Butter 400 Kronen, gegenüber je zwei Kronen im Frühjahr 1914. Ein Herrenanzug schlug mit 8.000 Kronen zu Buche, gegenüber 80 Kronen im Frühjahr 1914. Vgl. Mitteilungen der American Relief Administration Nr. 46–50, Mai 1921, S.  253.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Untertitel
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Autor
Silke Fengler
Herausgeber
Carola Sachse
Mitchell G. Ash
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-79512-4
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
380
Schlagwörter
Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
Kategorien
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
    1. 1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und Kernforschung : Eine Skizze 9
    2. 1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen 10
      1. 1.2.2 Ressourcenausstattung und Ressourcenverteilung 12
      2. 1.2.3 Zentrum und Peripherie 14
    3. 1.3 Forschungsstand 16
    4. 1.4 Quellenlage 24
    5. 1.5 Aufbau der Arbeit 26
  2. 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
    1. 2.1 Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 31
    2. 2.2 Das regionale Netzwerk formiert sich 40
      1. 2.2.1 Anfänge der Radioaktivitätsforschung im Kontext des Exner-Kreises 40
      2. 2.2.2 Kooperationsformen der Mitglieder 45
      3. 2.2.3 Wissenstransfer vom Zentrum in die Peripherie 46
    3. 2.3 Das Zentrum formiert sich 49
      1. 2.3.1 Gründung des Instituts für Radiumforschung 49
      2. 2.3.2 Verbindungen zur böhmischen Radiumindustrie 54
      3. 2.3.3 Verleih radioaktiver Substanzen durch die Akademie 57
      4. 2.3.4 Bereitstellung radioaktiver Präparate 61
    4. 2.4 Das Zentrum etabliert sich 67
      1. 2.4.1 Wien als metrologisches Zentrum der Monarchie 67
      2. 2.4.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission 69
      3. 2.4.3 Das Scheitern der Nomenklaturfrage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 79
    5. 2.5 Die Gefährdung des Zentrums 81
      1. 2.5.1 Die Radioaktivistengemeinschaft und der Erste Weltkrieg 81
      2. 2.5.2 Österreich-Ungarn in der neuen internationalen Radiumökonomie 88
    6. 2.6 Der Radiumreichtum : ein Wiener Monopol 91
  3. 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
    1. 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
    2. 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
      1. 3.2.1 Der Exner-Kreis und die Physik im Nachkriegsösterreich 97
      2. 3.2.2 Der Exner-Kreis zwischen Kooperation und Konkurrenz 107
    3. 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
      1. 3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks 109
      2. 3.3.2 Wiederaufnahme des internationalen Präparateverleihs 117
      3. 3.3.3 »Unter keinen Bedingungen verbandelt« : Kooperationen mit der Industrie 122
      4. 3.3.4 Rückkehr auf die internationale Bühne 131
    4. 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
      1. 3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie 140
      2. 3.4.2 Atomzertrümmerungsforschung zwischen Kooperation und Konkurrenz 147
    5. 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
  4. 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
    1. 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
      1. 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
      2. 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
      3. 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
      4. 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
      5. 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
      6. 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
    2. 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
      1. 4.2.1 Abzug ausländischen Kapitals 206
      2. 4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext 218
    3. 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
      1. 4.3.1 Sparmaßnahmen 226
      2. 4.3.2 Der Streit um die Physikalischen Institute 228
      3. 4.3.3 Pläne für einen Teilchenbeschleuniger in Wien 231
    4. 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
  5. 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
    1. 5.1 Das regionale Netzwerk wird zerstört 237
      1. 5.1.1 Die Auflösung des Exner-Kreises 237
      2. 5.1.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission im ZweitenWeltkrieg 241
    2. 5.2 Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 252
      1. 5.2.1 Die Neuordnung der Physikalischen und Chemischen Institute 252
      2. 5.2.2 Die Suche nach neuen industriell-wissenschaftlichen Netzwerken 260
    3. 5.3 An der Peripherie des neuen Netzwerks 264
      1. 5.3.1 Forschungsarbeiten im Auftrag des Militärs 265
      2. 5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien 270
      3. 5.3.3 Der problematische Radiumnachschub 276
      4. 5.3.4 Kernforschung für den Uranverein 282
      5. 5.3.5 Geophysik im Kontext des SS-Ahnenerbes 300
    4. 5.4 Das Kriegsende 304
    5. 5.5 Den Krieg für die Wissenschaft nutzbar machen 305
  6. 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
    1. 6.1 Alliierte Geheimdienste auf den Spuren der Kernforschung in Österreich 308
    2. 6.2 Die Alliierten als Arbeitgeber 312
    3. 6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des Wissens« 320
  7. 7. Schluss 322
  8. 8. Anhang 334
  9. Abkürzungsverzeichnis 334
  10. Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
  11. Literaturverzeichnis 340
  12. Personenregister 369
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