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Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung,
1919–1932152
F[oundation]. provided part of the funds. M[attauch]. is just completing setting up his
equipment for work on positive rays. […] His difficulty now is lack of liquid air, which will
be taken care of if the grant now pending (R[ockefeller].F[oundation].) is granted. […]
M[attauch]. already has several graduate students, and W. E. T[isdale]. met one, Miss Hoyer,
who is taking her doctor’s degree in positive ray work.«289
Anders als viele seiner Wiener Kollegen, konstruierte Mattauch den Massenspektrogra-
phen auf theoretischer Grundlage ; diese Arbeit und seine theoretischen Ausführungen
über Isotope fanden internationale Beachtung.290
Die Mitglieder der Forschungsgruppe um Pettersson nutzten die in Wien vorhan-
denen Ressourcen produktiv. In den ersten sechs Jahren seit Beginn der Atomzertrüm-
merungsforschung veröffentlichten sie rund 50 Aufsätze, eine Monographie und
mehrere Überblickswerke. Ihre Aktivitäten zogen bald interessierte Kollegen von aus-
wärts an, die sich in Wien über die dort entwickelten Methoden und Experimente
informierten, darunter Gyula Groh aus Budapest, Kerr Grant aus Melbourne, James
Chadwick aus Cambridge, Otto Hahn und mehrfach Lise Meitner aus Berlin sowie
Fritz Paneth aus Königsberg.291 Dass sich berühmte Kernphysiker wie Chadwick oder
Patrick Blackett so intensiv für die Wiener Arbeiten interessierten, wurde von manch
einem Kollegen, der in der akademischen Peripherie Österreichs kaum mit soviel Auf-
merksamkeit rechnen konnte, neidvoll kommentiert.292 In dem Maße, wie sich die
Forschungsgruppe durch Publikationen in renommierten Zeitschriften einen Namen
machte, wuchs in den Augen des IEB die Bedeutung Wiens als Zentrum der Atomzer-
trümmerungsforschung. Mitte der 1920er Jahre waren das Institut für Radiumfor-
schung und das II. Physikalische Institut neben dem Cavendish Laboratory in Cam-
bridge die einzigen Orte, an denen die unter Radioaktivisten als schwierig angesehenen
Versuche durchgeführt wurden.293
Die Entscheidungsträger der Rockefeller Foundation änderten ihre grundsätzlich
wohlwollende Einstellung gegenüber Pettersson und den Physikalischen Instituten in
Wien auch dann nicht, als Pettersson 1923 gemeinsam mit Kirsch in eine mehrjährige,
289 RAC, RF, RG 12.1, Box 139, Folder 5 : W.E. Tisdale, Log 4. Trips to Germany, Austria, Czechoslovakia
and Holland vom 16.1.1930.
290 Vgl. ÖStA, AVA, Ministerium für Kultus und Unterricht 1848–1940, F 630/4/Physik (unvollständig),
Bl. 1–5 : Unterlagen zur Umorganisation des Fachbereichs Physik an der Universität Wien, undatiert.
Mattauchs Arbeit fiel exakt unter das von Glick als »industriell« beschriebene Forschungsförderungs-
modell des IEB, das die theoretisch fundierte, inkrementelle und großtechnisch fundierte Forschung
unterstützte. Vgl. Glick 2005, 132.
291 Vgl. RAC, IEB, Series 1.3, Box 56, Folder 923 : Hans Pettersson, Report vom April 1928.
292 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 15, Fiche 238 : Kohlrausch an Meyer vom 16.1.1928.
293 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 17, Fiche 274 : Paneth an Meyer vom 29.12.1924.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369