Seite - 192 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Kernforschung in Österreich,
1932–1938192
Hahn/Meitner’schen KWI für Chemie. Der einstige IEB-Stipendiat und nunmehrige
Assistent am I. Physikalischen Institut Josef Mattauch war einer der wenigen, die in
Wien dem »Ruf nach höchsten Spannungen« in der Kernphysik enthusiastisch folg-
ten.67 1933/34 baute Mattauch gemeinsam mit seinem Schüler Richard Herzog ein
doppeltfokussierendes Massenspektrometer, das die Messung von Atomgewichten auf
physikalischem Wege in bisher unerreichter Präzision ermöglichte. Das stetig weiter-
entwickelte Gerät ermöglichte es, Kernbruchstücke aus der Zertrümmerung verschie-
dener schwerer Elemente mittels Thorium-C und Radium-C aufzunehmen.68 Doch
vorerst überwogen in Wien Skepsis und Zurückhaltung gegenüber dem Potenzial der
Teilchenbeschleuniger. Im Herbst 1937 berichtete Berta Karlik an Hans Pettersson in
Göteborg :
»Stetter’s, Ortner’s and Mattauch’s attitude [sic !] were very different from each other. Stetter
said : ›the thing is going to take up a lot of my time and energy. I am only going to spend all
that on a purely technical problem, if really something technically new comes out of it, but
that will go beyond our means.‹ Ortner’s idea was similar in a way and apart from that he is
not so convinced of the ›Alleinseeligmachende‹ of such an apparatus. ›There are still possi-
bilities with Ra[dium], you just have to have a really good idea, that’s all.‹ I must say I can
see their point, it means a tremendous amount of work and if they don’t feel it will pay, well,
then you can’t induce them to undertake it. Mattauch thought it would be just fun to try to
copy one of the already existing arrangements and he has now associated with [Hermann]
Mark. The only hope we have left is that here and there we may be allowed to use the ap-
paratus when working. But that will be on rare occasions I am afraid. I am not so very disap-
pointed for, to some extent, I share Ortner’s view, but Elisabeth [Rona] rather is and this
[sic !] [is], of course, the chemist speaking.«69
In Wien schien der Graben zwischen Befürwortern und Skeptikern tendenziell zwi-
schen den Disziplinen der Kernphysik und Radiochemie zu verlaufen, die am Institut
für Radiumforschung traditionell eng miteinander verbunden waren. Die Skepsis vie-
ler Wiener Physiker und Physikerinnen gegenüber den großtechnischen Geräten war
aus apparativ-instrumenteller Sicht durchaus begründet. Immerhin verfügte die For-
schungsgruppe über genügend natürliche Strahlungsquellen, um die kernphysikalische
Arbeit in konventioneller Weise fortsetzen zu können. Denn die Wiener Vorräte er-
67 Zitat bei Weiss 2000, 700.
68 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Karlik, K 58, Fiche 865 : Berta Karlik, Professor Dr. phil. Dr. techn. h.c.
Josef Mattauch (Ms v. 7.3.1977). Siehe zu Mattauchs späteren Arbeiten am KWI für Chemie Weiss 1994,
273–274.
69 GUB, Hans Pettersson : Karlik an Pettersson vom 6.11.1937.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369