Seite - 215 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Bild der Seite - 215 -
Text der Seite - 215 -
Das Zentrum verliert den Anschluss 215
own estimate that Pettersson’s work is probably in the third flight. […] I would suppose that
the only reason we would extend any further assistance to him is on the basis of our past
relations with the project.«162
Vieles sprach also dagegen, dass sich die Rockefeller Foundation weiter in Wien enga-
gierte : die Gruppe schien zu stark auf kernphysikalische Fragen ausgerichtet und be-
wegte sich damit außerhalb der Förderziele der Stiftung. Schlimmer noch : es fehlte
eine international anerkannte wissenschaftliche Führungspersönlichkeit, die der
Gruppe im Wettbewerb mit den führenden Laboratorien Europas und der USA Profil
hätte verleihen können. Zug um Zug zog sich die US-amerikanische Stiftung daher aus
Wien zurück. Auf Petterssons Bitte gewährte sie 1935 noch einmal 5.000 Schilling und
verlängerte ihre Förderung damit um ein weiteres Jahr.163 1936 stellten die Amerikaner
die Finanzierung der Wiener Kernforschung endgültig ein.
Auch Hess’ Bitte, das Innsbrucker Institut für Strahlenforschung weiter zu unter-
stützen, wurde abschlägig beschieden. Ebenso wie in Wien lag in Innsbruck der
Schwerpunkt nach Ansicht der Amerikaner zu sehr auf physikalischen Aspekten und
dies, obwohl Hess gemeinsam mit dem Biologen Jakob Eugster in Tierversuchen auch
die biologische Wirkung der kosmischen Strahlung erforscht hatte.164 1935 stellte die
Stiftung ihre Zahlungen nach Innsbruck ein, fast zeitgleich mit dem Förderungsstopp
der Wiener Kernforschungsgruppe.165
Mit der Rockefeller Foundation war der wichtigste Geldgeber für die mit Kern- und
Höhenstrahlungsforschung befassten Gruppen in Österreich verlorengegangen. Im
härter werdenden internationalen Wettbewerb um Fördermittel hatten sie schlechte
Karten, wobei sich die einstigen Standortvorteile in Wien und Innsbruck nun in einen
Standortnachteil verkehrten. Hier wie dort konnten die Gruppen auf natürliche Strah-
lungsquellen zurückgreifen, seien es die aus der Vorkriegszeit ererbten radioaktiven
Präparate oder die in den Alpen nachweisbare kosmische Strahlung. Der natürliche
Reichtum trug allerdings dazu bei, den epistemischen Rahmen der Kernforschung in
Österreich zu verengen. In Wien wie auch in Innsbruck konzentrierte man sich darauf,
die physikalischen Eigenschaften der Radioaktivität und kosmischen Strahlung zu er-
forschen. Die Untersuchung chemischer, biologischer oder gar medizinischer Aspekte
der Radioaktivität trat demgegenüber in den Hintergrund. Dies war unproblematisch,
so lange die Atomzertrümmerungsforschung bei dem wichtigsten ausländischen Spon-
162 RAC, RF, RG 1.1, Series 705D, Box 3, Folder 25 : Weaver an Tisdale vom 19.7.1934.
163 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 17, Fiche 284 : Tisdale an Pettersson vom 1.7.1935.
164 Es handelte sich um Studien des Einflusses kosmischer Strahlung auf Tiere, die Hess gemeinsam mit
dem Biologen Jakob Eugster durchführte. Vgl. Seeger 1993, 422.
165 Vgl. RAC, RF, RG 1.1, Series 705D, Box 3 : Tisdale an Hess vom 16.1.1935.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369