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Akzent auf Diskontinuitäten und Brüche27 und auf das nicht Gesagte28 ge-
setzt. Aus diesem Grund orientiert sich die vorliegende Studie nicht primär
an Foucault29, sondern an den Anregungen, die Quentin Skinner und John
Pocock gegeben haben.30
Skinner, philosophisch von Ludwig Wittgenstein und Robin George
Collingwood und linguistisch von John Langshaw Austin geprägt, hielt
Sprechakte für absichtsvolle Versuche, die Wirklichkeit zu gestalten; sie
seien aber nur vor dem Hintergrund konventioneller Formen identifizier-
bar.31 Zu diesem Zweck – und um zu verhindern, dass im Sinn eines radikal
aufklärerischen Absolutheitsanspruchs der Vernunft mit Begriffen gear-
beitet werde, die zur Zeit der Entstehung eines Textes nicht gebräuchlich
waren – müssten Gesprächszusammenhänge rekonstruiert werden.32 Bei
aller Wichtigkeit, die er dem Kontext beimaß, widersetzte er sich strengem
Kon
struktivismus; daher sprach er dem jeweiligen Autor die Fähigkeit, be-
wusst in das Geschehen einzugreifen, nicht ab. 33 Lieber als von Kausalitä-
ten sprach er von Einflüssen, die das Handeln des Einzelnen bestimmten,
und ließ auch die Kontingenz des Handelns gelten.34 Das Kennenlernen
politischer und moralischer Ordnungsentwürfe der Vergangenheit stimu-
liere mittelbar den Denkprozess über die Gegenwart; daher sei auch „großen
Autoren“ nicht jede Bedeutung für das Hier und Jetzt abzusprechen.35
Steckte Skinner gewissermaßen den erkenntnistheoretischen Rahmen
ab, besteht der Beitrag Pococks darin, die den einzelnen Sprechakten zu-
27 foucault, Archäologie, 242 und 290.
28 foucault, Archäologie, 41–43.
29 Bei aller Wichtigkeit, die diesem Denker nicht abzusprechen ist, erschwert seine mitun-
ter unscharfe – und im Laufe seines Lebens sich ändernde – Begrifflichkeit die Rezeption;
landwehr, Historische Diskursanalyse, 66. Auch wäre jede Form dogmatischer Anlehnung
an sein Konzept nicht in seinem Sinne; ebd., 78.
30 hellmuth/von ehrenstein, Intellectual History, 150–152; stollberG-rilinGer, Einleitung,
35. Dass beide Theoretiker in der Praxis kaum über das 18. Jahrhundert hinausgegangen
sind, stellt kein grundsätzliches Rezeptionshindernis dar; M. richter, Zur Rekonstruktion,
140.
31 hamPsher-monK, Ideengeschichte, 296; harlan, Der Stand, 163; hellmuth/von ehrenstein,
Intellectual History, 154 f.; landwehr, Historische Diskursanalyse, 41 f.; M. richter, Zur
Rekonstruktion, 151 f.
32 catón, Quentin Skinner, 454 f.; M. richter, Zur Rekonstruktion, 141; stollberG-rilinGer,
Einleitung, 20 f.
33 bevir, Geist, 209–211; bevir, The role, 165–168; harlan, Der Stand, 159–161; hellmuth/
schmidt, Pocock, Skinner, 269 f.; hellmuth/von ehrenstein, Intellectual History, 157; Palo-
nen, Entzauberung, 12–14 und 65.
34 Palonen, Entzauberung, 69 und 78.
35 hellmuth/schmidt, Pocock, Skinner, 273; hellmuth/von ehrenstein, Intellectual History,
162. 2. ZUR
METHODE48
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580