Seite - 53 - in „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Bild der Seite - 53 -
Text der Seite - 53 -
terreichischen Zeitgeschichte, der Dichter zur Befriedigung seiner wissen-
schaftlichen Interessen „in den Zeugenstand gebeten“ hat, weil sie „die noch
immer einmalige historische Situation über den Tag hinaus für kommende
Geschlechter zu bannen wissen“, sei Kurt Skalnik zitiert72, dessen Person
im Kontext dieser Studie auch wegen seiner geistigen Nähe zur christlichen
Ideenwelt von Interesse ist.73 Die Literaten, denen die vorliegende Studie
viel verdankt, werden im Folgenden kurz vorgestellt.
In Bezug auf Rudolf Henz74 lautet eine (ältere) Forschungsmeinung, Dich-
ten und Sein bildeten „eine untrennbare Einheit“.75 In seinen historischen
Romanen wollte er für breite Schichten relevante Botschaften transportie-
ren. Da er sich nach 1938 in die „Innere Emigration“ begeben hatte, ist die
germanistische Forschung streng mit ihm ins Gericht gegangen.76 Die an
ihm beanstandete Haltung dürfte mit dem politischen Konformitätsdruck
zusammenhängen, dem er ausgesetzt war.77 Dass sich sein Widerstandspo-
tenzial nicht auf die Ideologie, sondern nur auf die Partei bezogen habe, ist
aber wohl ein zu hartes Urteil, und dass er 1939 für fünf Monate im Kriegs-
dienst des Deutschen Reichs stand78, beweist nicht seine Nähe zum Denken
der Machthaber. Vielmehr war er um Wahrung der geistigen Eigenständig-
keit bemüht, was auch daran zum Ausdruck kommt, dass er sich, wiewohl
eine Art „Staatsdichter“ des Ständestaates (Kap. 8.6), dagegen verwahrte,
sein Österreichbewusstsein an dessen Verfassung zu binden.79
Ein ebenfalls umstrittener Dichter ist der sehr national ausgerichtete
Franz Karl Ginzkey.80 Über die Mitgliedschaft im SR hinaus vermied er jede
offene Identifikation mit dem Regime.81 Im Dezember 1936 trat er in den
Bund deutscher Schriftsteller in Österreich ein, eine getarnte nationalsozia-
listische Organisation.82 1938 erklärte er, er sei nicht als Politiker, sondern
als Vertreter des Schrifttums in den SR berufen worden, und zwar gegen sei-
nen Willen.83 Er hatte allerdings auch in Deutschland den Ruf eines „Man-
telwenders“.84 Nach dem „Anschluss“ im März 1938 betonte er seine groß-
72 sKalniK, Auf der Suche, 98.
73 adunKa, Friedrich Heer, 212.
74 Vgl. das Biogramm bei wöGerer, Innere Emigration, 61–64.
75 O. M. fontana, Einleitung, 5.
76 wöGerer, Innere Emigration, 28–30, 65–68; 74 f., 87 und 130–132.
77 Krist, Kontinuität, 30.
78 wöGerer, Innere Emigration, 71 f. und 111.
79 henZ, Fügung, 189.
80 hawle, Wer war Franz Karl Ginzkey?, 99.
81 wohnout, Verfassungstheorie, 274.
82 K. amann, Die Dichter, 68–79.
83 Zum Hintergrund vgl. Pfoser/renner, Ein Toter, 346 f.
84 hawle, Wer war Franz Karl Ginzkey?, 102–104; Krist, Kontinuität, 27 f.
2.2 LITERARISCHE UND AUTOBIOGRAPHISCHE TEXTE 53
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580