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deutsche Gesinnung85 – um nach 1945 den altösterreichischen Aspekt seiner
Werke wieder hervorzuheben.86
Guido Zernatto war als Generalsekretär der VF (seit 1936) eng ins po-
litische System integriert. Er bekleidete führende Positionen im Verband
katholischer Schriftsteller und Schriftstellerinnen Österreichs, der dem poli-
tischen Katholizismus verpflichtet war; 1935 wurde er Vizepräsident des Ös-
terreichischen Bundesverlags. 1936 berief ihn Kurt Schuschnigg als Staats-
sekretär im Bundeskanzleramt in sein Kabinett. Wenige Wochen vor dem
„Anschluss“ wurde er Minister ohne Portefeuille; im März 1938 emigrierte
er in die USA.87
Als im engeren Sinne autobiographisch kann man Friedrich Funders Œu-
vre bezeichnen, vor allem seine memoirenhaften Werke. Bei einem Autor mit
derart markantem weltanschaulichen Profil sind die Probleme der Gattung
in besonderem Maß in Rechnung zu stellen. Nach Ruth Klüger gehöre das
Werk des Autobiographen, auch wenn nicht in jedem Detail nachprüfbar,
in den Bereich der Geschichte.88 Dass die subjektive Autorposition dem An-
spruch auf Wirklichkeit nicht hinderlich ist89, sofern die sprachliche Vermit-
teltheit der vorgestellten Wirklichkeit berücksichtigt wird, hat inzwischen
allgemeine Anerkennung gefunden.90
Zweifel an der Tauglichkeit der Autobiographie als Quelle für historische
Forschung nähren sich von den „unbewussten Polemiken des Gedächtnis-
ses“.91 In der Tat kann Erinnerung zum Problem werden92, andererseits hat
das menschliche Gedächtnis – wie wiederum Goethe in Dichtung und Wahr-
heit darlegte – auch eine selektive Kraft93, so dass die zeitliche Distanz der
Niederschrift einer Autobiographie auch als Korrektiv wirken kann.94
85 heydemann, Literatur und Markt, 199.
86 heydemann, Literatur und Markt, 204.
87 fischer, Zur Geschichte, 149; Kriechbaumer, Front, 69; rossbacher, Dichtung, 539; Zimmer,
Guido Zernatto, 35–37 und 44 f.
88 KlüGer, Gelesene Wirklichkeit, 86.
89 waGner-eGelhaaf, Autobiographie, 2.
90 lehmann, Bekennen, 1 f.; schlösser, Dichtung, 16.
91 schlösser, Dichtung, 17.
92 waGner-eGelhaaf, Autobiographie, 12.
93 waGner-eGelhaaf, Autobiographie, 85.
94 hincK, Selbstannäherungen, 8–10. 2. ZUR
METHODE54
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580