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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Vermutungen, österreichische Politiker hätten auf die Entstehung des Rundschreibens direkten Einfluss genommen, konnten bislang nicht bestä- tigt werden. Unleugbar ist indes, dass der Situation der jungen Republik, de- ren führende Repräsentanten zum Heiligen Stuhl beste Beziehungen hatten, dessen besonderes Interesse galt, insbesondere nach der Verfassungsnovelle von 1929, und auch die nach 1931 gerade in Österreich sehr intensive Exe- gese von QA kam nicht von ungefähr. Für Bundeskanzler Dollfuß düften die Sichtweisen des Vatikans stärker ins Gewicht gefallen sein als jene Mussoli- nis, und Bundespräsident Miklas, ebenfalls ein Verfechter eines verstärkten Einflusses der katholischen Kirche auf die Politik, wandte sich im Frühjahr 1934 an den Papst um Rat.406 Die Enzyklika wurde häufig missverstanden: Während aus theologischer Sicht gilt, dass sie nur den Neubau der Gesellschaft betraf und dass ein Ge- gensatz zur parlamentarischen Demokratie nicht gesehen wurde, leiteten maßgebliche Gestalter der österreichischen Politik ein Staatsprogramm dar- aus ab407: Bundeskanzler Dollfuß bezeichnete QA anlässlich des Allgemeinen Deutschen Katholikentages 1933 als geeignete „Grundlage des Verfassungs- lebens“.408 Auch andere Politiker überhörten alle Mahnungen, beispielsweise von Seiten der christlichen Arbeiter.409 Der Begriff ordines, „Stände“, unter- lag anachronistischen Verzerrungen.410 Eindringlich erläuterte den Irrtum Ernst Karl Winter, 1934–1936 Vize- bürgermeister von Wien, der begrifflich zwischen „berufsständischer Ord- nung“ und „Ständestaat“ unterschied: Nicht mehr jene, sondern dieser sei das Ziel – obwohl die berufsständische Ordnung grundsätzlich mit jeder Staatsform vereinbar wäre.411 Nach August M. Knoll war QA nicht selbst Programm, sondern eine „Grundlage für Programme“; Josef Dobretsberger habe zu Recht hervorgehoben, dass die Enzyklika keineswegs einzig dem Gedanken der oeconomia perennis verpflichtet sei.412 Auch Richard Schmitz 406 ebner, Politische Katholizismen, 173 f.; Klieber, Quadragesimo anno, 348–358; lanG, Bun- despräsident Miklas, 42 und 76; tálos, Herrschaftssystem (2013), 241, 246 f. und 574. 407 beyer, Ständeideologien, 135 f.; burGhardt, Das berufsständische Experiment, 226; busshoff, Berufsständisches Gedankengut, 455; diamant, Katholiken, 258 f.; ebner, Poli- tische Katholizismen, 168; huber, Die Verfassung, 19; Klieber, Quadragesimo anno, 358– 362; Klose, Quadragesimo anno, 26; F. luGmayer, Karl Lugmayer, 17; P. nolte, Ständische Ordnung, 245 f.; orGler, Ständestaat, 81 und 219; reichhold, Kampf, 378–382; retten- bacher, Bekenntnisfreiheit, 23; sieGfried, Universalismus, 147; tálos, Herrschaftssystem (2013), 77; unterrainer, Wirtschaftspolitik, 21–25. 408 Zit. nach liebmann, Kirche und Politik, 32; vgl. JuffinGer, Politischer Katholizismus, 49. 409 KluwicK-mucKenhuber, Johann Staud, 93. 410 lindGens, Die politischen Implikationen, 90. 411 winter, Arbeiterschaft, 35; vgl. heinZ, E. K. Winter, 166–168. 412 Knoll, Der soziale Katholizismus, 14; Knoll, Der soziale Gedanke, 231 f. 3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE RAHMEN98
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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