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war.496 Dieser habe, so der italienische Historiker Ennio di Nolfo, Dollfuß po-
litisch zu seinem „Gefangenen“ gemacht.497 Der Kanzler selbst hielt sich von
Italien nämlich fern, solange es ging.498 Besonders vor der Machtergreifung
der Nationalsozialisten in Deutschland waren die trennenden Momente im
Verhältnis Österreich-Italien stärker als die verbindenden499; unter Druck
gesetzt, habe Dollfuß dann aber „Realpolitik“ (D. v. Hildebrand) betrieben.500
Kurt Schuschniggs antifaschistische Einstellung kann ebenfalls keinem
Zweifel unterliegen.501
Italien hatte in Österreich handfeste Wirtschafts- und Finanzinteres-
sen.502 Nicht minder wichtig war Mussolini aber auch die Schaffung eines
korporativen, am italienischen Modell orientierten Regimes.503 Österreich
wiederum, so Theodor Hornbostel, seit 1933 Leiter der Politischen Abteilung
im Außenministerium504, war aufgrund seiner wirtschaftlichen Misere zu
einer selbständigen Gestaltung seiner Außenpolitik nicht in der Lage, und
Mussolini habe dies schamlos ausgenützt.505 Seine anfänglichen Bemühun-
gen, die Selbständigkeit Österreichs zu wahren, seien der eigenen Schwäche
entsprungen, für die eine unmittelbare Nachbarschaft Deutschlands nicht
wünschenswert sein konnte.506 Ähnlich beurteilte Egon Berger-Waldenegg,
von August 1934 bis Mai 1936 Außenminister im Kabinett Schuschnigg und
anschließend bis 1938 österreichischer Gesandter in Rom, die Lage.507
496 tálos, Herrschaftssystem (2013), 39–43 und 491 f.
497 di nolfo, Rapporti, 69; so auch die Einschätzung von de felice, Breve Storia, 81.
498 ross, Hitler, 77; wohnout, Bundeskanzler Dollfuß, 625–627.
499 schmölZer, Beziehungen, VII und 62–64.
500 v. hildebrand, Engelbert Dollfuß, 22, 29, 34 und 74.
501 Kindermann, Österreich, 131 und 145; Payne, Geschichte, 307–309; die amerikanische Jour-
nalistin Dorothy Thompson bezeichnete den Kanzler als „a hero in the struggle against
fascism.“; zit. nach connelly, From Enemy, 107.
502 Kusstatscher-oberKofler, Beziehungen, 35–37, 76–78, 83 und 86.
503 ara, Österreichpolitik, 113 und 129; Kusstatscher-oberKofler, Beziehungen, 108–115;
schmölZer, Beziehungen, 113 und 261.
504 Zu ihm aGstner/enderle-burcel/follner, Österreichs Spitzendiplomaten, 255–258; kri-
tisch binder, „Austrofaschismus“, 585–589.
505 So auch die quellengesättigte rezente Lehrmeinung; schmölZer, Beziehungen, 264–268;
vgl. K. bauer, Elementarereignis, 159.
506 hornbostel, Fremde Einflüsse, 129–133; vgl. wohnout, Bundeskanzler Dollfuß, 605;
wohnout, Schritte, 60–63.
507 berGer-waldeneGG, Biographie, 407.
3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
RAHMEN106
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580