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wusste auch von den in Fribourg regelmäßig stattfindenden sozialen Studi-
enrunden (Kap. 3.3).682
Die erste persönliche Begegnung von Bundeskanzler Dollfuß mit Mus-
solini fand im April 1933 in Rom statt.683 Der damals ebenfalls dort wei-
lende preußische Ministerpräsident Hermann Göring ließ den Duce wissen,
Deutschland werde die Propaganda gegen Österreich so lange fortsetzen, bis
die österreichische Regierung die Forderung der Nationalsozialisten nach
Neuwahlen erfülle.684 Die an diesem Faktum zum Ausdruck kommenden
Kontakte zwischen Italien und Deutschland erfüllten Dollfuß mit Sorge.685
Mussolini beruhigte ihn indes rasch – umso mehr, als er die Pläne zu ei-
ner berufsständischen Verfassung ausdrücklich goutierte.686 Entsprechend
zufrieden klang der Bericht des Kanzlers über seine Romreise, den er am
20. April 1933 im Clubvorstand der CSP erstattete.687
Im Juni führte die Unterzeichnung des Konkordats Dollfuß neuer-
lich nach Rom, und wiederum ergab sich Gelegenheit zu politischen Ge-
sprächen.688 Auch hierüber berichtete er anschließend im Clubvorstand
der CSP: Mussolini habe beteuert, Österreich könne auf die italienische
Freundschaft „unter allen Umständen“ rechnen.689 Im Juli lobte Mussolini
die Gründung der VF, forderte aber ein härteres Vorgehen gegen die Sozi-
aldemokraten und urgierte den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen.
Auch rief er Dollfuß die Notwendigkeit in Erinnerung, an der neuen Ver-
fassung zügig weiterzuarbeiten690: Der Kanzler wartete mit der Antwort
drei Wochen – und setzte andere Schwerpunkte als die von Mussolini ge-
wünschten.691
Im August erhielt Dollfuß anlässlich eines Treffens mit Mussolini im
Badeort Riccione dessen ausdrückliche Zusage, dass Italien im Fall einer
Invasion „aus Bayern“ in Österreich militärisch reagieren werde.692 Ver-
682 CS 2. 8. 1936 (G. Puaux).
683 schmölZer, Beziehungen, 65–69 und 116 f.; wohnout, Bürgerliche Regierungspartei, 200;
wohnout, Bundeskanzler Dollfuß, 613.
684 KereKes, Abenddämmerung, 137 f.
685 GoldinGer, Protokolle, 228; vgl. schmölZer, Beziehungen, 69 f.; stuhlPfarrer, Außenpolitik,
325–327.
686 KereKes, Abenddämmerung, 138.
687 GoldinGer, Protokolle, 229 f.
688 K. schuschniGG, Im Kampf, 146; vgl. schmölZer, Beziehungen, 70–72 und 119–121;
wohnout, Bundeskanzler Dollfuß, 613.
689 GoldinGer, Protokolle, 251 f.
690 bertolaso, Die erste Runde, 220; KereKes, Abenddämmerung, 148 f. und 153; schmölZer,
Beziehungen, 121–125.
691 ross, Hitler, 78 f.; wohnout, Bundeskanzler Dollfuß, 614 f.
692 bertolaso, Die erste Runde, 221 f.; friedl, Zusatzprotokolle, 153; Kindermann, Hitlers Nie-
3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 125
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580