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zugleich äußerte Österreich aber den Wunsch nach internationaler Absiche-
rung seiner Unabhängigkeit.743 Außenminister Egon Berger-Waldenegg be-
zeichnete diese Wochen als eine Zeit „verstärkter nazistischer Wühlarbeit“,
so dass sein Land keine andere Wahl als den Ausbau der Beziehungen zu
Italien gehabt hätte.744 Der CS würdigte den Besuch als Beweis für den Wil-
len Schuschniggs, die Politik seines Vorgängers fortzusetzen.745 Ähnlich hoff-
nungsvoll lautete ein Bericht über eine Reise des Kanzlers nach Rom im No-
vember.746 In diesem Zusammenhang sollte freilich nicht übersehen werden,
dass in den Verhandlungen über Österreich auch Frankreich mitmischte, so
dass italienische Alleingänge nicht möglich waren.747
Anfang 1935 veröffentlichte die Wiener Zeitung Auszüge aus einer Rede
Mussolinis über Österreichs historische Mission. Dietrich von Hildebrand
wollte diese „klassischen Ausführungen des großen Staatsmannes“ der öster-
reichischen Leserschaft zur Gänze bekannt machen und nahm sie daher in
den CS auf. Er schätzte Mussolinis Einsatz für Österreichs Unabhängigkeit
und den Respekt für „das innige Verhältnis zwischen Österreichertum und
Katholizismus“.748 Gelegenheit, derlei Themen aufzugreifen, bot die Eröff-
nung eines österreichischen Kulturinstituts in Rom und eines italienischen
in Wien749, anlässlich derer der CS Italiens Anteil am Aufbau des Abend-
landes in Erinnerung rief.750 Im Rahmen der Feier in Wien wurde davor ge-
warnt, die Freundschaft beider Länder nur in taktischer Hinsicht zu verste-
hen. Bis in die Antike zurückreichende Beziehungen erlaubten es, „von einer
österreichischen Sendung in Italien und einer italienischen Sendung751 in
Österreich“ zu sprechen.752
Eine Konferenz in Stresa am 13. April 1935 bestätigte die österreichische
Unabhängigkeit, an der auch Frankreich und Großbritannien interessiert
waren: Sie sei kein bloß italienisches, sondern ein europäisches Problem.753
743 schmölZer, Beziehungen, 143–149; K. schuschniGG, Requiem, 233–238; Kindermann, Öster-
reich, 255 f.; di nolfo, Rapporti, 72 f.
744 berGer-waldeneGG, Biographie, 408.
745 CS 26. 8. 1934; zur milden Beurteilung Italiens im CS vgl. seefried, Reich, 234–237.
746 CS 25. 11. 1934.
747 schmölZer, Beziehungen, 149–161.
748 CS 24. 2. 1935; vgl. schmölZer, Beziehungen, 160 f.
749 Vgl. schmölZer, Beziehungen, 138 f.
750 CS 13. 1. 1935 (D. v. hildebrand).
751 Zum Begriff „Sendung“ vgl. Kap. 6.8..
752 CS 24. 3. 1935 (O. M. KarPfen).
753 binder, Der „Christliche Ständestaat“, 227; britZ, Die Rolle, 101 und 112; Kindermann,
Österreich, 238 und 257; orlando, Rolle, 34–38; Potočnik, Bewusstsein, 202; schmölZer,
Beziehungen, 161–170; stuhlPfarrer, Außenpolitik, 331; tálos, Herrschaftssystem (2013),
497 f.
3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 131
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580