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die Selbstbehauptung Österreichs und für die auf Mussolini bezogene Ableh-
nung jeglicher Einmischung von außen in die Belange seines Landes.763
Am 3. Oktober 1935 begann der schon länger geplante Krieg in Äthiopi-
en.764 Der Völkerbund reagierte mit Sanktionen. Dass sich Österreich diesen
nicht anschloss765, belastete sein Verhältnis zu Großbritannien, und es wur-
den kritische Stimmen gegen die Regierungspolitik laut, nicht nur von sozi-
aldemokratischer, sondern auch von christlichsozialer Seite (F. Funder).766
Gegen die Sanktionen sprach sich Richard Kerschagl aus, allerdings mit
eher grundsätzlichen als auf den spezifischen Fall bezogenen Argumenten.767
Starhemberg war in die politischen Pläne des Duce in hohem Maß ein-
geweiht: So hatte er beispielsweise bereits Anfang 1933, also sehr früh, ge-
wusst, dass dieser einen Kolonialkrieg in Ostafrika plante768, wie überhaupt
die Rolle Österreichs in der Äthiopienkrise keineswegs nur passiv war:769
Kurt Schuschnigg berichtete später, der Duce habe mit ihm 1934 in Florenz
von dem Plan gesprochen770, und Heinrich Mataja sprach darüber bereits
zu Jahresbeginn 1935 wie über ein gegebenes Faktum, das ihn nicht nur in
Hinblick auf Österreich besorgt machte, sondern dem er geradezu weltpoliti-
sche Relevanz bescheinigte.771 Kurz vor dem Beginn des Kriegs gewährte der
CS Eugenio Morreale Raum für eine Darlegung der italienischen Sicht772,
und ein weiteres Mal im November, als die Sanktionen des Völkerbunds be-
reits beschlossen waren. Der „geschätzte(n) Mitarbeiter“ lobte Österreich
und Ungarn dafür, dass sie sich den Sanktionen nicht angeschlossen hat-
ten.773 Ähnlich die Sicht von Erich Hula: Österreich fühle sich durch den
Abessinienkonflikt zwar bedrückt, dass es sich den Sanktionen des Völker-
bunds gegen Italien nicht anschließe, sei aber Ausdruck der Dankbarkeit:
Denn Italien, nicht der Völkerbund habe die drohenden Gefahren abgewen-
det.774
763 CS 9. 6. 1935.
764 Zu dessen Verlauf vgl. woller, Geschichte, 147–150.
765 Zur Haltung Österreichs im Abessinienkonflikt vgl. schmölZer, Beziehungen, 177–184.
766 britZ, Die Rolle, 117; Kindermann, Österreich, 259 f.; orlando, Rolle, 43–57; schieder, Der
italienische Faschismus, 74; schmölZer, Beziehungen, 184–187; wiPPermann, Europäischer
Faschismus, 37; woller, Geschichte, 145 f.
767 SZ 27. 10. 1935 (R. KerschaGl).
768 orlando, Rolle, 3 und 58–62.
769 orlando, Rolle, 67 f.
770 K. schuschniGG, Im Kampf, 180.
771 CS 24. 2. 1935 (H. mataJa).
772 CS 22. 9. 1935 (E. morreale).
773 CS 24. 11. 1935 (E. morreale).
774 CS 24. 11. 1935 (E. hula); zum Befremden im Ausland vgl. tálos, Herrschaftssystem
(2013), 494–496.
3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 133
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580