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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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schienene Buch Die Ständeordnung des Alls von Leopold von Andrian. In einem kleinen Kreis katholischer Intellektueller sehr begrüßt, erreichten seine Gedanken allerdings keine Breitenwirkung.100 Für die vorliegende Ar- beit ist dieses Werk insofern von Belang, als es die Gesellschaftslehre in eine kosmische Gesamtschau eingliedert.101 In Anlehnung an Thomas von Aquin wurde die Welt als eine auf Gott hingeordnete Hierarchie des Seins definiert: Ordnung ist somit per se ständisch. In seiner „metaphysischen Wesensschau“102 unterschied der Dichter nach dem Grad des Bewusst- seins sechs Seinsstufen: anorganisches Individuum, Protist, Pflanze, Tier, Mensch, Engel.103 Auf der untersten Stufe sei das Bewusstsein bloß deskrip- tiv; dann gelange es über Bewertung und Gliederung zum Einblick ins We- sen der Welt.104 Diese „primären Mächte des Alls“ würden ergänzt durch die sogenannten „Quasisubstanzen“, allen voran Gesetz und Natur, außerdem die katholische Kirche, für ihn die wichtigste Ordnungsmacht, schließlich Stand und Hierarchie.105 Der Nexus der hier vorgestellten Gedanken mit dem politischen System der dreißiger Jahre ist evident, aber er wurde auch explizit begründet: „Wie die ständischen Abgeordneten einer gesitteten Nation diese vor dem Throne ihres Königs vertreten, so fassen die sechs [...] Seinsstufen [...] die zahllo- sen primären Mächte des Alls zusammen und gewähren dem [...] Menschen- geist ein [...] gegliedertes und ausgeführtes Weltbild.“ Dieses Bild der Welt sei noch flächig; plastisch werde es, „wenn die essentiell sozialen Individuen und Stände in ihrem Verkehr untereinander und in ihrer Totalität [...] als großer Komplex von Ursachen und Wirkungen im weitesten Wortsinne be- trachtet werden“.106 Mit Blick auf die politische Realität sind auch Details dieses Gedankengangs von Interesse: Der Rang aller Wesen werde durch den Grad der Gottähnlichkeit bestimmt; da die Geschöpfe nur Teile von den Vorzügen des Schöpfers besäßen, entstünden in der geschöpflichen Welt konkurrierende Ränge; es lasse sich aber keine gerade absteigende Hierar- chie der Wesen erkennen, weil es sich um ein sehr komplexes Phänomen handle, in dem Potentialität und Aktualität miteinander konkurrierten.107 Dem Menschen seien „die Einzelheiten der göttlichen Hofordnung“ bis auf einige wenige, die er instinktiv erfasse, verschlossen. Jeder Stand besitze 100 Prutsch/ZeyrinGer, Leopold von Andrian, 490. 101 dorowin, Retter, 101 f. 102 v. andrian, Ständeordnung, 46. 103 schumacher, Leopold Andrian, 104. 104 v. andrian, Ständeordnung, 48–50. 105 dorowin, Retter, 102; schumacher, Leopold Andrian, 105–111. 106 v. andrian, Ständeordnung, 186. 107 v. andrian, Ständeordnung, 198. 5.3 FREIHEIT UND ORDNUNG 221
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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