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verwandte Begriffe: „Form“, „Gestalt“, „Gefüge“119; auch sah er eine enge
Verbindung zum Begriff „Beziehung“.120 Hier lag für ihn der Schlüssel des
Erkennens; dieses wiederum setzte er mit Zusammenfügen von Teilordnun-
gen zu immer größeren, vollkommeneren Ordnungen durch das Ich gleich:
„Vollkommene Erkenntnis besteht in der Erfassung von Ordnung. Ordnung
aber ist Einheit in der Vielheit.“121 Diesen Gedanken fand er bei Konfuzius
entwickelt, der den Glauben an ein Ursein bewahrt und das Glück der Men-
schen von der Übereinstimmung mit dem Naturgesetz erwartet habe.122 Am
Denken der Babylonier faszinierte ihn der Gedanke, dass alles irdische Sein
und Geschehen einem himmlischen entspreche und dass alle Teilerschei-
nungen Spiegelbilder des Ganzen seien.123 Die christliche Lehre erkenne ver-
schiedene Seinsstufen, allesamt unterhalb von Gottes Sein, das von jedem
anderen ausgesondert sei.124 Ebenbildlichkeit wird somit gleichbedeutend
mit Annäherung an das Urbild Gott: „Und wenn die Seinsstufen ihre Stu-
fenfolgen einhalten, dann ist die ganze Schöpfung in Ordnung, das heißt: in
Seinsbezug.“125
Parallelen zu Lugmayers Ordnungsbegriff finden sich bei Eric Voegelin,
dem wissenschaftlichen Verteidiger der Maiverfassung (Kap. 3.9): „Mit Ord-
nung ist die erfahrene Struktur der Realität sowie die Einstimmung des
Menschen auf eine Ordnung gemeint, die nicht von ihm selbst geschaffen
ist – d. h. der Kosmos“.126 Philipp Bugelnig fand im Kosmos die Baugesetze
der Gesellschaft, nämlich Einheit, Gleichartigkeit, Vollständigkeit und sinn-
volle Ergänzung.127 Eine völlig andere Ordnung, so der dem Ständegedanken
ebenfalls gewogene Historiker Alexander Novotny, sei die der Aufklärung,
derzufolge erst die menschliche Vernunft und das ihr entspringende Han-
deln das Chaos zum Kosmos machten.128 Johannes Messner leitete aus der
Natur die Grundprinzipien der Gesellschaftsordnung ab: „Denn jenes Kul-
turgesetz ist nichts anderes als das Naturgesetz, das Gesetz, das aus der
Natur des Menschen und der Gesellschaft selbst erfließt.“129 Der Mensch sei
119 K. luGmayer, Sein I, 12.
120 K. luGmayer, Sein I, 6.
121 K. luGmayer, Sein II, 75 f.
122 K. luGmayer, Sein II, 7–9 und 68.
123 K. luGmayer, Sein II, 38.
124 K. luGmayer, Sein 1, 28; Sein II, 18 f.
125 K. luGmayer, Sein II, 77.
126 voeGelin, Reflexionen, 95.
127 buGelniG, Der Ständestaat, 11.
128 novotny, Die Donaumonarchie, 61; zur Person des Autors vgl. fellner/corradini, Österrei-
chische Geschichtswissenschaft, 299.
129 messner, Ordnung, 6.
5.3 FREIHEIT UND ORDNUNG 223
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580