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elles und soziales Wesen.453 Die Berufung des Einzelnen, in der seinen An-
lagen entsprechenden Weise zur Wohlfahrt der Menschheit beizutragen, sei
seiner Freiheit nicht hinderlich.454 Demgegenüber gehe „Ent-Persönlichung“
mit einem mechanisierten, von Vermassung, Entwurzelung und Sinnentlee-
rung gekennzeichneten Gesellschafts- und Wirtschaftsleben einher.455
Die personalistische Philosophie sah das Wesen der Person in der Fähig-
keit, den anderen nicht nur unter dem Aspekt der Bedeutung für den eige-
nen Lebenszusammenhang zu sehen456: „Personsein“, so Robert Spaemann,
„ist das Einnehmen eines Platzes, den es gar nicht gibt ohne einen Raum, in
dem andere Personen ihre Plätze haben.“457 Dietrich von Hildebrand sprach
von „Bindungen, die nicht der Willkür des Menschen entspringen“458, und
unterschied echte Gemeinschaft vom künstlichen Zweckverband459, der, für
Karl Mannheim ein Kind des neuzeitlichen Rationalismus, nicht die beson-
dere Persönlichkeit, sondern nur das Allgemeingültige gelten lasse.460
Nach Othmar Spanns universalistischem Konzept baut sich das Indivi-
duum in seinem geistigen Sein und Wesen im Dasein mit anderen auf, mit
denen es vielfältig und innig verwoben ist. Dieses Denken verdichtete sich
in Aussagen wie „Meine Freiheit ist nur dadurch möglich, dass ein anderer
ist“; als Gegenbegriff nannte der Wiener Philosoph „geistige Isolierung“.461
Franz Hörburger war überzeugt: „Nur an einem gegenüberstehenden Part-
ner kommt das Ich zum Bewusstsein seiner selbst.“462
Karl Lugmayer verwendete – gegen die seit Ferdinand Tönnies übliche
Praxis der Soziologen – den Begriff „Gemeinschaft“ synonym mit „Gesell-
schaft“463, weil die Unterscheidung, so in Analogie zu Max Scheler464, bei
personaler Betrachtung irrelevant sei.465 Lediglich äußere Beziehungen
zwischen den Menschen für unzulänglich erklärend466, war er dem von Tön-
453 hättich, Wirtschaftsordnung, 22–36.
454 schindler, Lehrbuch II, 348; A. M. weiss, Wesen, 15– 17.
455 huber, Die Verfassung, 24.
456 rotter, Person, 32–36; sPaemann, Personen, 197; schmidinGer, Der Mensch, 25.
457 sPaemann, Personen, 193; schmidinGer, Der Mensch, 125.
458 v. hildebrand, Engelbert Dollfuß, 68.
459 v. hildebrand, Engelbert Dollfuß, 74.
460 mannheim, Konservatismus, 80.
461 sPann, Wahrer Staat, 53 f.; vgl. becher, Der Blick, 111; Kaltenbrunner, Europa, 387; sieG-
fried, Universalismus, 34; zur Kritik Kremer, Staatsphilosophie, 19.
462 hörburGer, Geschichte, 7.
463 tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, passim; vgl. hanisch, Konservatives und revoluti-
onäres Denken, 210.
464 fellmann, Daseinswelt, 163.
465 K. luGmayer, Philosophie, 110.
466 K. luGmayer, Linzer Programm, 56.
5.5 PERSÖNLICHKEIT UND GEMEINSCHAFT 257
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580