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sen sei.654 Philipp Bugelnig nahm die Liebe als Bindeglied für die ihm wich-
tige Gleichsetzung der Begriffe „ständisch“ und „christlich“.655 Ignaz Seipel
hatte 1923 in seinem Weihnachtswunsch an die „ungeschriebenen Gesetze
des Gemeinsinns“ appelliert.656
Hier kommen jene bleibenden Werte und anthropologischen Konstanten
zur Sprache, die Richard Meisters Wirken begleiteten, jene Seinsformen
der Kultur, so der Titel eines Aufsatzes von 1943, die, wie er aus späterer
Rückschau erklärte, für sein Überdauern in der Depression des Zweiten
Weltkriegs entscheidend gewesen seien.657 Auch Rudolf Henz machte sie im-
mer wieder zu seinem Thema, weil er sie als Rettungsanker in der Krise
empfand.658 Für Menschen, die nur „nach Soll und Haben leben“, erklärte er
mit Blick auf das vom Nationalsozialismus bedrohte Österreich, sei es auch
schwer, an das Gute zu glauben.659 Mit dem Wissen um „das Menschliche“
begründete Henz zeit seines Lebens seine Liebe zum alten Österreich, aber
auch seine Wertschätzung der nach 1945 geleisteten Kulturarbeit und geis-
tigen Auseinandersetzung.660 Große Genugtuung bereitete es ihm, dass der
Chefarzt einer Tiroler Lungenheilanstalt, der die „heilsame“ Wirkung seiner
Literatur erkannt habe, kurz nach dem Erscheinen seines Anich-Romans
150 Exemplare desselben als Weihnachtsgeschenk für die Patienten anfor-
derte.661
Franz Karl Ginzkey trat für flexible, an den Bedürfnissen des Einzelnen
orientierte Lösungen ein: In Anspielung auf Preußen schätzte er am österrei-
chischen Staat, dass er keine „strenge Unerbittlichkeit“ kenne und ihm da-
her für ein dichterisches Projekt einen langen Sonderurlaub gewährt habe.662
Ähnlichem Denken entsprechen Franz Kolbs Vorbehalte gegen gemütsfeind-
lichen Formalismus663 und Karl Lugmayers Forderung nach Billigkeit auf-
grund des Sittengesetzes.664 Richard Kerschagl rückte die Liebe als Aspekt
der Gerechtigkeit ins Licht, auch in wirtschaftlichen Fragen: Er verstand
darunter das rechtmäßig Geschuldete.665 Hermann Struber mahnte „eine
654 schindler, Lehrbuch III, 756.
655 buGelniG, Der Ständestaat, 40 f. und 68–70.
656 rennhofer, Ignaz Seipel, 390.
657 breZinKa, Pädagogik, 400.
658 venus, Rudolf Henz, 22.
659 henZ, Fügung, 231 f.
660 henZ, Österreich, 10.
661 henZ, Fügung, 290.
662 GinZKey, Heimatsucher, 131.
663 Kolb, Wiedertäufer, 16.
664 K. luGmayer, Grundrisse, 126 f.
665 KerschaGl, Die Quadragesimo anno, 13–18. 5. DER MENSCH IST
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580