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Liechtenstein741, später auch von Bischof Sigismund Waitz742 verkehrend,
1933 Präsident des Allgemeinen deutschen Katholikentags in Wien743, be-
tonte die Zeitbezogenheit der Kirche als „lebendig wirkende geistige Macht“,
die durch die Angriffe gegen sie nur wachse; sie biete Hilfe gegen „die geis-
tige Verwirrung dieser Tage“, die von der „Stückhaftigkeit und Einseitigkeit
der neuen Weltanschauungen“ gekennzeichnet seien.744 Seine tiefe Religiosi-
tät bestimmte sein Schaffen745, in welchem er häufig das Gesamtkunstwerk
des Barock vor Augen hatte.746 Für Guido Zernatto – dem Holzmeister übri-
gens sehr nahestand747 – war diese Epoche geradezu bestimmend für das ös-
terreichische Wesen; er setzte sie mit Ablehnung des Rationalen gleich und
grenzte sie von der Aufklärung ab, die den „Glockenton des Glaubens und
der Natürlichkeit“ nicht kenne.748 Religion und Glaube waren für ihn auch
gesellschaftlich wichtige Faktoren, weil er darin die Gewähr für den Respekt
vor den Rechten des Einzelnen sah, während eine religionslose Gesellschaft
auf Dauer nicht anders als totalitär geführt werden könne.749
Zu den Mitgestaltern des Katholikentages gehörte allerdings auch Ed-
mund Glaise von Horstenau, ein Mandatar, der an die prinzipielle Möglich-
keit des Ausgleichs zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus glaub-
te.750
Einen Schwerpunkt setzte der Ständestaat auf die religiös-sittliche Er-
ziehung751, für die ebenfalls Richard Meister die theoretischen Grundlagen
lieferte752 und die schon in den zwanziger Jahren Gegenstand der parlamen-
tarischen Diskussion gewesen war.753 Karl Lugmayer hielt konfessionelle
Bildungsarbeit für gleichermaßen wichtig wie weltanschaulich neutrale.754
Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi bemerkte hierzu geistreich: „Europas
Erzieher war das Christentum, Europas Lehrer die Antike.“755 In diesem Zu-
sammenhang ist es von Interesse, dass Unterrichtsminister Anton Rintelen
741 holZmeister, Architekt, 15.
742 Posch, Clemens Holzmeister, 71.
743 Posch, An der Wende, 61–63; Posch, Clemens Holzmeister, 196 und 202–204.
744 holZmeister, Kirche, 5 f.
745 Knofler, Clemens Holzmeister, 28 f.
746 becKer, Clemens Holzmeister, 81–83; hohenauer, Clemens Holzmeister, 214
747 Posch, Clemens Holzmeister, 269 f.
748 Zit. nach JarKa, Zur Literatur- und Theaterpolitik, 506.
749 Zernatto, Vom Wesen, 162.
750 Posch, Clemens Holzmeister, 205.
751 hoPfGartner, Schuschnigg, 61; schretter, Das ideologische Nahverhältnis, 41–45.
752 sorGo, Schulpolitik, 159–162.
753 Kucher, Staatsbürgerliche Erziehung, 247.
754 CS 3. 6. 1934 (K. luGmayer).
755 coudenhove-KalerGi, Held, 53. 5. DER MENSCH IST
PERSON286
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580