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terreich bezogen, gelangte er zu dem Fazit, „dass die bestehenden Gewalten
zwar legal und daher zu beachten sind, dass aber mangels der Legitimität
ihrer Trägerschaft eine Restitutionspflicht an den legitimen Gewaltenträ-
ger erkannt und die Restitution als sittliches Postulat angestrebt werden
muss“.772
Zeßner-Spitzenberg hatte sich zunächst in der Leo-Gesellschaft betätigt.
Er war auch im Establishment der CSP verankert, genoss die hohe Wert-
schätzung von Bundeskanzler Schuschnigg und zählte zu den wichtigsten
Kontaktpersonen der Habsburger.773 Am Gesetz vom 3. April 1919 störten
ihn der Hass, „die planmäßig geübte Verfolgungssucht“, […] das blindwü-
tende Ausrottungsstreben gegen alle unauslöschlichen Wahrheiten“.774 An-
ton Rintelen bereitete es Unbehagen, dass es in der Republik Kreise gab,
in denen „jedweder Traditionsgedanke [...] als Legitimismus verschrien, als
Hochverrat angeprangert“ wurde.775
Der Legitimismus hatte eine naturrechtliche Komponente. Auch dies-
bezüglich hatte Franz Martin Schindler gedankliche Vorarbeit geleistet:776
Die Natur ordne die Menschen auf das Gemeinwesen hin; legitime politi-
sche Autorität sei „von Gottes Gnaden“ und habe Anspruch auf Unterwer-
fung; die Theorie der absoluten Volkssouveränität sei abzuweisen.777 Diese
seit dem späten 18. Jahrhundert zunehmend in Frage gestellte Ansicht778
ist in der Enzyklika Diuturnum illud (1881) grundgelegt, wo Leo XIII. aus-
drücklich festgehalten hatte, dem Volk obliege es zwar zu bestimmen, wer
die Befehlsgewalt ausübe, nicht aber diese zu übertragen. Auch das den al-
ten Reichsgedanken tragende Bibelwort per me reges regnant hatte er in Er-
innerung gerufen.779 Karl Lugmayer verwies in seinem Kommentar dieses
Rundschreibens auf Dollfuß’ Trabrennplatzrede: Der Staatslenker sei nicht
seinen Wählern, sondern einzig Gott und dem eigenen Gewissen verpflich-
tet.780 Im StL kam 1935 Julius Evola mit der Ansicht zu Wort, durch die
Treue zum Fürsten drückten die Untertanen Treue zu Gott aus.781 Einen da-
mit verwandten Gedanken erläuterte mit großem Aufwand Dietrich von Hil-
debrand: Echte Autorität hafte nur am Amt, nie an der Person; es gehe um
772 H. K. Zeßner-sPitZenberG, Legitimität, 185; vgl. neuhäuser, Legitimismus, 6–8.
773 wohnout, Traditionsreferat, 70–72.
774 NR 4. 4. 1920 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
775 rintelen, Erinnerungen, 157.
776 allmayer-becK, Konservatismus, 38; vgl. auch mannheim, Konservatismus, 75.
777 schindler, Lehrbuch III, 791; vgl. LK, 349 (H. Chr. Kraus).
778 stollberG-rilinGer, Reich, 12; GG 3 (1982), 718 (Legitimität/Legalität, Th. würtenberGer).
779 utZ/v. Galen, Sozialdoktrin, 2094–2103.
780 CS 1. 7. 1934 (K. luGmayer).
781 StL 1935, 99 (J. evola).
5.7 LEGITIMITÄT VERSUS LEGALITÄT 289
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580