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Dinge, die eine Stellvertretung Gottes erfordern.782 Das NR empfahl seinen
Lesern das Werk des italienischen Historikers Guglielmo Ferrero über den
Untergang der Zivilisation des Altertums: Es weise Analogien zur Situation
Europas nach dem Ersten Weltkrieg auf, wo der Sturz des Kaisertums in Ös-
terreich, Deutschland und Russland das Gottesgnadentum zerstört habe; die
Ausführungen Ferreros seien „eine vernichtende Widerlegung der revolutio-
nären Schlagworte, die im Namen der Freiheit die rechtmäßigen Autoritäten
zerstören.“783 Kurt Schuschnigg schöpfte aus diesem Werk Kraft, als er in
Sachsenhausen von den Nationalsozialisten interniert war.784
Äußere Strukturen und vorrangige Anliegen
Unmittelbar nach dem Tod Kaiser Karls, 1922, waren die Legitimisten eine
noch eher kleine Gruppe.785 Als damals wichtigste Verbände sind die Kaiser-
treue Volkspartei und der 1921 gegründete Reichsbund der Österreicher zu
nennen786, Letzterer hervorgegangen aus einem Kreis um Johannes Prinz
Liechtenstein.787 In seinen Reihen war auch der CV stark vertreten.788 Einer
seiner Väter, Alfred Johannes Graf Rességuier de Miremont, bezeichnete die
Gründung als Versuch, „auf ganz legale Weise die Kleinstaaterei und die Re-
publik zum Sterben [zu] bringen“.789 Die Bemühungen des dahinter stehen-
den Personenkreises, u. a. Josef Eberle, Friedrich Funder, Konstantin von
Hohenlohe, Ernst Karl Winter, Hans Karl Zeßner-Spitzenberg, waren von
der Überzeugung getragen, in Saint-Germain sei Österreich – trotz kulturel-
ler und moralischer Überlegenheit – schweres Unrecht widerfahren. Zwar
wisse man um die Schwächen, die das Land in den letzten Dezennien der
Monarchie gezeigt habe, aber die Reichsidee lebe weiter. Ziel sei die „Wie-
dervereinigung dessen, was gegen Natur und Recht voneinander getrennt
worden ist“.790
782 v. hildebrand, Memoiren, 173 f. und 177 f; ebneth, Wochenschrift, 149; später, in den USA,
gehörte Hildebrand einer monarchistisch gesinnten Emigrantenorganisation an, „because
of conviction“, wie ihm von amerikanischer Seite bescheinigt wurde; ePPel, Österreicher 2,
254; vgl. ebd. 283 und 444.
783 NR 14. 10. 1922.
784 binder/H. schuschniGG, „Sofort vernichten“, 359.
785 brandl, Kaiser, 361.
786 lovreK, Die legitimistische Bewegung, 232–235; mosser, Legitimismus, 32 f. und 50; neuhäu-
ser, Legitimismus, 28, 94 f., 129 und 133; stimmer, Eliten, 753; thaler, Legitimismus, 70.
787 F. waGner, Legitimismus, 32.
788 G. hartmann, Der CV, 82; G. waGner, Hochschülerschaft, 55.
789 Zit. nach G. stourZh, Erschütterung, 293.
790 NR 6. 2. 1921 (A. J. resséGuier de miremont); 1. 5. 1921. 5. DER MENSCH IST
PERSON290
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580