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schluss „unlauterer oder unverlässlicher Elemente“ wurde angedacht.169 In
der Journalistengewerkschaft war 1935 ein Ehrengericht eingeführt wor-
den. Ab 1937 bestand beim Bundeskanzleramt ein „Standesstrafsenat für
das Pressewesen“, der an eine „Standesordnung“ gebunden sein sollte; erster
Vorsitzender war Friedrich Funder.170
Anton Thir setzte den Akzent auf die „Standespflichten“, deren Erfüllung
er als Gebot der Kirche betrachtete.171 Eduard Tomaschek sprach die mit der
Umsetzung von derlei Idealen verbundenen Probleme am Beispiel der Be-
amten an: Er appellierte an das Ethos einer Gruppe, die in Österreich seit je-
her einen hohen Stellenwert gehabt habe. Im Beamten als „Mittler zwischen
Staatsgedanken und Volksleben“172 beschrieb er einen zentralen Aspekt des
Begriffs „Stand“ nach dem Verständnis der dreißiger Jahre.
Franz Brandl verfiel im Gespräch über die altösterreichischen Beamten
in geradezu nostalgisches Schwärmen: Die Diener Habsburgs seien „selbst
das Bewegende im Organismus des Staates“ gewesen, während die Organe
der Republik „das Bewegte“ seien.173 Friedrich Funder hingegen sah keinen
Gegensatz zwischen Monarchie und Republik und lobte die „unbestechliche
Rechtschaffenheit“ der Beamten auch in den Nachfolgestaaten.174 Seine Äu-
ßerungen erinnern an die des Wiener Landesschulinspektors und Schriftstel-
lers Oskar Benda175, der den Beamten eine „dienstaristokratische Spielart
des feudalen Stils“ bescheinigte176, oder an Franz Werfels Begriff des sacri-
ficium nationis.177 Franz Rehrl sah die Notwendigkeit, diese Tradition zwar
weiterzuführen, doch mit Anpassungen an die neue Zeit.178 Diese Stimmen
akzentuierten die vom preußischen Historiker Otto Hintze um 1910 erläuter-
ten idealtypischen Wesenszüge des Beamten, der seine gesamte Persönlich-
keit in den Beruf steckt und dem Dienstgeber nicht so sehr durch ein Rechts-,
sondern durch ein Vertrauensverhältnis verbunden ist, bei dem Treue, Er-
gebenheit, Pflichteifer bzw. patriarchalische Fürsorge, also personale Werte,
zentral sind.179 Durch diese blieben bis ins 20. Jahrhundert „ständische Reste
169 Zit. nach Golowitsch, Der berufsständische Aufbau, 76.
170 Golowitsch, Der berufsständische Aufbau, 79–83.
171 thir, Frauengestalten 1, 54, 59 und 62; 2, 294 und 304.
172 CS 13. 3. 1938 (E. tomascheK).
173 brandl, Kaiser, 8 f.
174 funder, Vom Gestern, 59 f.
175 Zu ihm vgl. hanisch, Traditionelle Männlichkeitsrollen, 222; Johnston, Der österreichische
Mensch, 37 und 224–241.
176 Zit. nach suPPanZ, Der österreichische Mensch, 19.
177 Johnston, Der österreichische Mensch, 244–250.
178 hanisch, Franz Rehrl, 18.
179 hintZe, Der Beamtenstand, 21–23; vgl. Johnston, Der österreichische Mensch, 290–294.
6.3 DER STAND UND DAS STANDESGEMÄSSE 319
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580