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dem zufolge Menschen, die ein kleines Stück Eigentum haben, nicht mehr
zur Masse gehörten, sondern Ehe und Familie gründeten. Werde der Sozia-
lismus seine Absicht, diese Strukturen aufzulösen, verwirklichen, so werde
dies an der Seele des Menschen scheitern, „die nicht Masse, die persönlich
ist und sein will“.529 Aus ähnlichen Gründen waren Guido Zernatto530 und
August M. Knoll531 Verfechter des Privateigentums. Leopold Teufelsbauer
wertete dieses als Zeichen nachhaltiger, erfolgreicher Arbeit, das überdies
die Verbundenheit der Generationen fördere.532 Mit Richard Kerschagl plä-
dierte einer der führenden, im Kreis seiner Fachkollegen sehr ernst genom-
menen533 Wirtschaftswissenschafter Österreichs für einen Vorrang des Pri-
vaten auf allen Gebieten der Wirtschaft vor staatlicher Interventionspolitik,
allerdings in ausdrücklicher Distanzierung von der manchesterliberalen
Doktrin.534
Die Begründung der hohen Wertschätzung des Privateigentums war in
der Moraltheologie des 19. Jahrhunderts erfolgt.535 Franz Martin Schindler
betrachtete auch den damit zusammenhängenden Gedanken der Vorsorge
als hohen Wert. Selbst Reichtum, also das, was über die elementaren Be-
dürfnisse hinausgehe, sei innerhalb bestimmter Grenzen statthaft, weil da-
durch Tugenden wie Arbeitsamkeit und Sparsamkeit gefördert und Investi-
tionen zum Wohl vieler ermöglicht würden.536
Friedrich von Weichs brachte in Zusammenhang mit dem vererbungsfä-
higen Privateigentum den Familienlohn als gerechten Lohn zur Sprache.537
Anton Thir538 und Ulrich Ilg539 befürworteten einen nach Leistung abgestuf-
ten Lohn. Ilgs Ansicht, der Einzelne dürfe nicht alles vom Staat erwarten540,
entsprach dem Denken von Richard Schmitz.541
Die bäuerlichen Werte deckten sich in vielem mit jenen des „Mittelstandes“,
jener Schicht, der die Wirtschafts- und Sozialpolitik des Ständestaates eine
Art Vorrang einräumte.542 Sie verfehlte ihr Ziel allerdings weitgehend, denn
529 MSchKP 2, 577.
530 in der maur, Einleitung, 32.
531 Knoll, Ziel, 16.
532 CS 17. 6. 1934 (L. teufelsbauer).
533 StL 1935, 222 f. (W. andreae).
534 SZ 5. 8. 1934, 12. 8. 1934 (R. KerschaGl); 2. 2. 1936 (R. KerschaGl).
535 Kustatscher, Haus und Familie, 170–172.
536 schindler, Lehrbuch II, 362–365.
537 v. weichs, Der Weg, 39; vgl. auch SZ 19. 6. 1927 (O. v. nell-breuninG).
538 thir, Frauengestalten 2, 151.
539 ilG, Uns alle, 23 f.
540 ilG, Uns alle, 38.
541 R. schmitZ, Das christlichsoziale Programm, 8.
542 Ein Anliegen war die Erhaltung desselben etwa Leopold Kunschak; KunschaK, Werden, 17.
6.5 BAUERNTUM ALS IDEAL 353
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580