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Teufelsbauer erklärte die synonyme Wendung „aus einem guten Haus“553 mit
dem Wesen der Familie als Kulturgemeinschaft.554 Kurt Schuschnigg betonte
die Herkunft seiner Mutter „aus alteingesessenem Innsbrucker Haus“.555
Im 19. Jahrhundert hatte sich die katholische Moraltheologie dieses The-
mas angenommen. Franz Martin Schindler erklärte, bei der Wahl von Be-
ruf und Stand bestehe gegenüber den Eltern „höchste Verpflichtung“.556 An
anderer Stelle führte er, ohne das Wort „Stand“ explizit zu verwenden, aus:
Zwar erlaube es das Gesetz den Kindern, auch gegen den Rat der Eltern eine
Ehe einzugehen, aber sie sollten dies mit Rücksicht auf die Familienehre
nicht tun.557 Derlei Gedanken waren besonders für den Adel kennzeichnend,
wo die väterliche Autorität bei der Partnerwahl viel zählte.558
Sie stehen für eine Form von Standesbewusstsein, die Franz Kolb bei
Wipptaler Bauern des 16. Jahrhunderts in idealer Weise verwirklicht sah.
Auf reicher Quellengrundlage identifizierte er die Eheschließung als einen
Akt, der die ganze „Sippe“ anging und mit deren Mitsprache erfolgte.559 So
seien die „Sippen“ von unehrenhaften560 Elementen frei geblieben, was „im
großen Volk und Land nur zum Heile geworden“ sei. Obwohl er wusste,
dass eine Heirat auch eine „Herzensfrage“ ist561, war der von Anton Thir
ausgesprochene Gedanke, dass einer Familie durch bestimmte Mitglieder
„Schande“ bereitet werden könne, übermächtig.562 Auch Johannes Messner
sah Familienehre und Standesehre in wechselseitiger Abhängigkeit.563 Den
Mitgliedern des CV wurde 1935/36 nahegelegt, bei der Gattenwahl gelte der
Grundsatz, „dass gleiche oder ähnliche Kinderstube meist eine Vorausset-
zung für eine glückliche Ehe sein wird“.564 Karl Lugmayer präzisierte: Vor
allem Töchter nähmen die „Kinderstube“ in ihre neue Familie mit.565
Es geht hier um das Ebenbürtigkeitsprinzip, das sich, wie Ernst Karl
Winter, ausgehend vom Kaiserpaar, begründete, in vielen Ehen bewährt
habe. Es könne eine Ehe aber auch ad absurdum führen: Daher müsse es,
wie er mit Blick auf die von ihm gewünschte „moderne Monarchie“ – und
553 Zur elitenbildenden Komponente einer solchen Herkunft vgl. G. hartmann, Eliten, 225.
554 CS 17. 6.. 1934 (L. teufelsbauer).
555 K. schuschniGG, Dreimal, 33; zu seiner Sozialisation vgl. GoldinGer, Schuschnigg, 218 f.
556 schindler, Lehrbuch II, 353.
557 schindler, Lehrbuch III, 777; vgl. Kustatscher, Haus und Familie, 160 f.
558 waltersKirchen, Adel, 31, 34 und 54.
559 Kolb, Heirat, 107–109.
560 Zur Familienehre vgl. hanisch, Konservatives und revolutionäres Denken, 177.
561 Kolb, Heirat, 110.
562 thir, Frauengestalten 1, 43.
563 messner, Ordnung, 242; vgl. PytliK, Berufsständische Ordnung, 137.
564 leb, Das Familienideal, 39.
565 MSchKP 2, 781–783 (K. luGmayer) ; brineK, Arbeiter, 102.
6.6 DIE FAMILIE 355
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580