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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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ren verloren gegangenen Bindungen ersetzen, gerade die ständischen.880 Der Staat besitze eine organisierte und monopolisierte Macht, die Nation hinge- gen übe keine Herrschaft aus, sei institutionell kaum entwickelt, komme we- der durch Macht zustande noch werde sie durch Macht zerstört: „Der Staat erfasst den Menschen in seiner Eigenschaft als ‚zoon politikon’, die Nation erfasst ihn als ‚Wesen’.“881 Oder: „Das Ideal des nationalen Einheitsstaa- tes zerstört die Sicherheit der Welt. Nation und Staat sind nicht identische Begriffe. Staat ist organisierte Macht, Recht, Ordnung. Die Nation ist aber viel mehr. Und man kann eine große Sache nicht in einen kleinen Behälter sperren.“882 Der mit der Nation identische Staat war für Zernatto ein totaler Staat.883 Aus denselben Gründen wurde der westliche Nationsbegriff von Er- nest Renan und Elias Canetti abgelehnt.884 Da er einen erheblichen Grad an Demokratisierung voraussetzte und einer Gesellschaft mit egalitärer Wert ordnung entsprach885, enthielt er Elemente, die ständischem Denken widersprachen. Ein solches ist beispielsweise Zernattos Auffassung, die Na- tionalkultur sei die Sonderleistung einer Nation im Rahmen eines überna- tionalen Kulturwerks, die aber keine absolute Eigenart besitze; ihre Beson- derheit sei lediglich eine Besonderheit im Rahmen einer größeren Einheit. In diesem Sinn gebe es beispielsweise keine deutsche Kultur, sondern le- diglich einen deutschen Anteil an der abendländischen Kultur.886 Andreas Posch erinnerte an Leibniz’ Auffassung vom verborgenen Sinn der Welt, der zufolge jede Nation eine besondere Seite des Weltplans verwirkliche.887 Im Italien des 19. Jahrhunderts, so wieder Zernatto, habe man versucht, Gemeinsamkeiten der Abstammung, der Sprache, der Sitten, der Ge- schichte, des Siedlungsraums, der Gesetzgebung und der Religion und be- sonders die „Bewusstheit“ der Zugehörigkeit zur Nation zu entscheidenden Kriterien zu erheben. So groß die Wirkung dieser Thesen in ganz Europa gewesen sei: Für Zernatto griffen sie zu kurz. Für Mittel- und Osteuropa wollte er keine verbindlichen Definitionskriterien nennen: Es brauche im- mer mehrere Verbindungsglieder, damit aus einer Gruppe von Menschen eine Nation werde888, denn es gebe keine geographische Linie, die zugleich 880 DöMők, Nationalitätenfrage, 61. 881 Zernatto, Vom Wesen, 185 f. 882 Zernatto, Vom Wesen, 99. 883 Zernatto, Vom Wesen, 187. 884 lanGewiesche, Was heißt, 29 f. 885 lanGewiesche, Nation, 35 f. und 42 f.; lemberG, Kulturautonomie, 96. 886 Zernatto, Vom Wesen, 145. 887 NR 13. 3. 1926 (A. Posch). 888 Zernatto, Vom Wesen, 70 f. 6. STANDESBEWUSSTSEIN386
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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