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chen Erobererstaat“ ähnlich.900 „Nationalegoismus“ war mit seinem Ideal
der Vielfalt des Völkerlebens und Gleichberechtigung unvereinbar.901 Das
österreichische Volk betrachtete er geradezu als das Musterbeispiel für eine
„Nation“. Auch er bezog sich auf deren Charakter als geistige Größe, weswe-
gen er ausdrücklich erklärte, der Begriff „Stamm“ – ein auch in offiziellen
Dokumenten verwendeter Terminus902 – sei für Österreich falsch.903 Obwohl
sein Nationsbegriff über den auf Sprache und Kultur beruhenden Herders
hinausging904, bescheinigte er diesem für die Zeit vor 1918 durchaus seine
Berechtigung: Nunmehr aber, in der klein gewordenen Republik, müsse an
die Stelle objektiver Merkmale „die Selbsterkenntnis der besonderen Funk-
tion“905 treten. Durch das Juliabkommen von 1936 hatte sich in seinen Au-
gen eine Situation zugespitzt: Die Ideologie des deutschen Nationalstaates
sei der österreichischen Idee „im Wesen entgegengesetzt“.906 Im unmittel-
baren Vorfeld des „Anschlusses“, nach dem Treffen vom Obersalzberg, er-
klärte Zeßner-Spitzenberg, es sei bitter, künftig nur gleichberechtigt neben
den Deutschen zu stehen, aber der wirkliche Österreicher habe „die richtige
Rangordnung der Werte im Kopf“. Und er versicherte dem Kanzler: „Wir ste-
hen bereit für jene Arbeit, die weder Sozialismus noch Nationalismus, son-
dern nur Patriotismus kennt.“907
Die Heimat als Raum der Nähe, Länderpatriotismus
Im Denken konservativer Zeitgenossen bildeten Räume der Nähe, in denen
personale Beziehungen möglich waren, eine zentrale Kategorie. Nur hier
glaubten sie jene Geborgenheit zu finden, deren Verlust als eine der Folgen
von 1789 empfunden wurde.908 Leopold Kunschak909 und Friedrich Funder910
sprachen gern von der Heimat.911 Franz Rehrl hielt Heimatliebe gerade in
900 CS 5. 1. 1936 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
901 K. P. Zeßner-sPitZenberG, Hans Karl, 58.
902 So in einem Erlass des Unterrichtsministeriums von 1934; suPPanZ, Österreichische Ge-
schichtsbilder, 22.
903 CS 19. 7. 1936 (H. K. Zeßner-sPitZenberG); vgl. suPPanZ, Österreichische Geschichtsbilder, 30.
904 breuer, Anatomie, 81.
905 CS 9. 1. 1938 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
906 CS 9. 8. 1936 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
907 CS 27. 2. 1938 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
908 GheZZi, Nostalgia, 116 und 125.
909 Krause, CV, 107.
910 funder, Vom Gestern, 178.
911 Zum Umfang dieses Begriffs seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. GheZZi, Nos-
talgia, 172 f. 6.
STANDESBEWUSSTSEIN388
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580