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von Starhemberg setzte er sich sehr für das Juliabkommen von 1936 ein1023,
aber explizit sprach er sich nicht für die Unabhängigkeit Österreichs aus.1024
Er stand jenem nationalen, antidemokratischen Parteiflügel der CSP nahe,
innerhalb dessen besonders Karl Gottfried Hugelmann für die Ausgestal-
tung des Verhältnisses zu Deutschland eintrat, allerdings mit der Forderung
nach einem Selbstbestimmungsrecht.1025 Regelmäßig hielt Glaise von Hors-
tenau Vorträge im Rahmen der Salzburger Hochschulwochen (z. B. über
Altösterreichs Vergangenheit im Spiegel der deutschen Geschichte)1026, in de-
nen er eine Gegeneinrichtung zu der u. a. von Hans Karl Zeßner-Spitzenberg
und dem „böse[n] Emigrant[en] Hildebrand“ getragenen „patentösterreichi-
schen Akademie der Legitimisten“1027 sah.1028 Obwohl Glaise 1933/34 als poli-
tischer Berater Alois Schönburg-Hartensteins im Verteidigungsministerium
an der Seite eines Legitimisten tätig war1029, lehnte er diese Bewegung als
eine der wichtigsten Stützen der Unabhängigkeitspolitik Österreichs ab.1030
Das Wesen Hitlers erkannte er nicht in der vollen Tragweite.1031
Klare Worte für den Anschluss kamen vom evangelischen Oberkirchenrat
Erich Stoekl. In einer am 27. März 1938 in Wien gehaltenen Predigt ver-
glich er, ausgehend von Joh 12,14, Österreich mit dem Weizenkorn: Wenn es
„nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein“.1032 Er fühlte sich zwar
als Österreicher und war diesem Land verbunden, aber ebenso deutlich be-
tonte er die Zugehörigkeit zum Deutschtum.1033 Ab 1933 hatte er zu wieder-
holten Malen die Verständigung zwischen katholischer und evangelischer
Kirche gefordert.1034 Mit Genugtuung erinnerte er an jene evangelischen Ge-
meinden, die sich in vielen Gebieten der Monarchie um die Siedlung verdient
gemacht hätten. Ausdrücklich lobte er an ihnen Staatstreue, Familien und
Kinderstuben, Fleiß, vorbildliche Pflichterfüllung; im Ersten Weltkrieg hät-
1023 starhemberG, Memoiren, 267.
1024 K. amann, Brückenbauer, 64; wohnout, Verfassungstheorie, 566.
1025 buchmayr, Der Priester, 155; schweitZer, Volkstumsideologie, 24 und 37; kritisch zu ihm
fellner, Reichsgeschichte, 367.
1026 Glaise-horstenau, Erinnerungen, 109.
1027 Gemeint ist die Österreichische Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft; maurer, Konrad
Josef Heilig, 634 f.
1028 Glaise-horstenau, General im Zwielicht, Bd. 2, S. 108 f.
1029 brouceK, Ein General I, 38 und 46; wohnout, Verfassungstheorie, 565.
1030 Glaise-horstenau, Erinnerungen, 74; vgl. mosser, Legitimismus, 126.
1031 Nach dem Juliabkommen wurde er als Minister ohne Portefeuille in die Regierung beru-
fen; 1938 holte ihn Arthur Seyss-Inquart in sein Kabinett; brouceK/Peball, Geschichte,
364
1032 reinGrabner, Eine Wiener Predigt, 260.
1033 reinGrabner, Eine Wiener Predigt, 257 f.; vgl. auch stoeKl, Predigten, 3.
1034 stoeKl, Die evangelische Kirche, 18–20. 6.
STANDESBEWUSSTSEIN400
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580