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„zu österreichisch“ sein könnten, erachtete aber eine gewisse Überspitzung
für notwendig, solange man an der Ideologie des vom Preußentum getrage-
nen „neudeutschen“ Reichsgedankens festhalte. Die Besprechung selbst fiel
geradezu enkomiastisch aus: So etwa habe das Buch Österreich eine nach-
haltigere kulturelle Wirkung bescheinigt als Weimar. Aber auch an seiner
Geschichte sei alles besser als an der preußischen: „Österreich war eines Ta-
ges da, Preußen hingegen ist die Verwirklichung eines Planes seiner Herr-
scher.“1209 In sehr zustimmender Weise rezensierte Zeßner-Spitzenberg auch
das 1925 erschienene Buch Österreich, das deutsche Problem von Friedrich
Schreyvogl, das ihm weitere Argumente gegen den „Anschluss“ lieferte.1210
Diese Aussagen erinnern an das politische Credo Friedrich Wilhelm
Foersters (Kap. 6.7), jenes antinationalsozialistischen Warners vor der „Ver-
preußung der ganzen Welt“, der sich von einer Orientierung Österreichs
nach Norden ungünstige psychologische Folgen erwartete, weil sie dem Ös-
terreicher „nicht wesensgemäß“ sei; dass Österreich die Brücke zur slawi-
schen Welt schlage, liege auch im tiefsten deutschen Interesse.1211 Dietrich
von Hildebrand sah hier die Ursache dafür, dass es in Österreich jenen
„Konflikt von Innenleben und äußerer Form“ nicht gebe, der „eine Gefahr
des Deutschtums“ sei.1212 Hermann Mathias Görgen nannte als Kennzei-
chen preußischer Intelligenz eine „ungeschichtliche Denkweise“, für die der
habsburgische Reichsgedanke nicht nachvollziehbar gewesen sei1213; die Kai-
serkrönung von 1871, so das ernüchternde Fazit, „trieb die säkularisierte
Reichs
idee auf die Spitze“.1214
Nach Anton Wildgans, dem ebenfalls eine zugespitzte Gegenüberstellung
des Preußen und des Österreichers gelang1215, könnte von Österreich „die Er-
lösung des deutschen Wesens vom Rationalismus“ ausgehen“.1216 Nicht zufäl-
lig gehörte er also zu den auch von Kurt Schuschnigg besonders geschätzten
Autoren. 1217 Führende Mitgestalter der österreichischen Politik der zwanzi-
ger und dreißiger Jahre bedauerten, dass „die österreichische Verwaltung
der letzten Jahrzehnte [...] allzu stark vom preußischen Geist und seinen
1209 SZ 31. 12. 1925 (O. H. schmitZ).
1210 SZ 29. 11. 1925 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
1211 NR 30. 1. 1920 (F. W. foerster); vgl. seefried, Reich, 151.
1212 v. hildebrand, Engelbert Dollfuß, 75.
1213 wolf/heiliG/GörGen, Österreich und die Reichsidee, 224 (H. M. GörGen); vgl. seefried,
Reich, 161–164; zum Charakter des preußischen Nationalismus als parvenühafte Rekon-
struktion vgl. dorowin, Retter, 114.
1214 wolf/heiliG/GörGen, Österreich und die Reichsidee, 236 f (H. M. GörGen).
1215 Vgl. suPPanZ, Der österreichische Mensch, 186; wandrusZKa, Struktur, 331.
1216 suPPanZ, Das Barock-Zeitalter, 118.
1217 binder/H. schuschniGG, „Sofort vernichten“, 201. 6.
STANDESBEWUSSTSEIN418
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580