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herrn im Katalog einer im Belvedere gezeigten Ausstellung einer breiten
Öffentlichkeit vor.1273 In der Monarchie sah der Wiener Historiker – nicht
anders übrigens als Otto Brunner1274 – eine kulturbringende Macht, ein Boll-
werk gegen den barbarischen Osten.1275 Er bekannte sich zu einem habsbur-
gischen Österreich unter Führung der deutschen Österreicher; ein Öster-
reich, in dem alle Nationen politisch gleichberechtigt sein sollten, konnte er
sich nicht vorstellen. Jeder Gewalt abhold, sah er die Aufgabe der Donaumo-
narchie darin, verschiedene ihrer Verschiedenheit sich bewusste Menschen-
gruppen zu einer höheren politischen Einheit zu vereinigen.1276
Historischer Argumente (mit einem von der Römerzeit bis um 1800 rei-
chenden Rückblick auf die Geschichte Österreichs1277) bediente sich außerdem
Georg Moth in seiner populärwissenschaftlichen Arbeit, der es aber nicht an
weltanschaulicher Offenheit fehlt.1278 Nachdrücklich trat er für die Aufrecht-
erhaltung kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen zu den Nachfolge-
staaten der Monarchie ein.1279 Zu 1683 bemerkte er: „Wäre Österreich nicht
gewesen, so würde Europa eine türkische Provinz geworden sein.“1280
Hier kommt ein kulturelles Sendungsbewusstsein Österreichs zum Aus-
druck, wie es auch Carl Vaugoin und Guido Zernatto entwickelten. Mit Be-
zug auf 1683 hob der Führer der VF die historische Rolle der Monarchie
als Grenzraum deutscher Kultur hervor, ja sie habe diese weit nach Osten
getragen. Das „Türkenjahr“ sei einer der Höhepunkte der Geschichte Ös-
terreichs.1281 Die Leistung des polnischen Königs, die in den dreißiger Jah-
ren meist eher abwertend beurteilt wurde1282, erwähnte freilich keiner der
gen, 127; zur Gesamtstaatsidee bei Prinz Eugen vgl. csáKy, Prinz Eugen, 88 f.; zum Prob-
lem Barock als auch für Historiker brauchbarer Epochenbegriff (mit Würdigung Redlichs)
vgl. hersche, Gelassenheit, 9–14.
1273 GrosseGGer, Mythos, 299; zu weiteren Formen der Erinnerung an Prinz Eugen ebd., 300–
337; PlaschKa, Was blieb.
1274 Jütte, Zwischen Ständestaat und Austrofaschismus, 253.
1275 H. dachs, Österreichische Geschichtswissenschaft, 106; ramhardter, Geschichtswissen-
schaft, 181.
1276 ramhardter, Geschichtswissenschaft, 170–174; in dieser Frage wies selbst Otto Bauers
Geschichtsbild erstaunliche Analogien zu dem des Ständestaates auf; hanisch, Illusio-
nist, 99.
1277 moth, Neu-Österreich, 10–17.
1278 moth, Neu-Österreich, 9 und 34.
1279 moth, Neu-Österreich, 19.
1280 moth, Neu-Österreich, 15.
1281 vauGoin, Hinein, 5; vgl. Kriechbaumer, Dieses Österreich, 440; schweitZer, Volkstums-
ideologie, 42–50; tálos, Zum Herrschaftssystem, 153 f.; tálos, Herrschaftssystem (2013),
554 f.; G. waGner, Hochschülerschaft, 194 f.; vgl. GrosseGGer, Mythos, 297–299; suPPanZ,
Geschichtsbilder, 67–69 und 76–78.
1282 acKerl, Von Türken belagert, 184. 6.
STANDESBEWUSSTSEIN426
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580