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können nur die Standesgenossen beurteilen.“121 Für Otto Ender gehörte die
Autonomie der Stände zum Wesen der Demokratie122, für Johann Staud war
sie ein Korrektiv gegen den totalen Staat123, Johannes Messner sah darin
einen Aspekt des Personalismus.124
Als Bürgermeister von Wien mahnte Richard Schmitz in der Bürgerschaft
zur Beachtung des Willens des jeweiligen Einbringers einer Vorlage und
warnte davor, den Berufsständen Dinge aufzuzwingen, die sie nicht woll-
ten.125 Florian Födermayr hatte die Vorzüge dieses Prinzips schon früher im
Bauernbund kennen gelernt.126
Friedrich von Weichs leitete aus der Autonomie der Berufsstände die For-
derung nach Übernahme der Kompetenzen im Sozialbereich ab. Auch hier
sollten die spezifischen Bedürfnisse der Stände das Regulativ bilden.127 Die
MSchKP sprach sich dafür aus, auch die Erziehung des Nachwuchses weit-
gehend den Ständen zu überlassen und zu diesem Zweck spezifische Schulen
zu schaffen.128
Ausdrücklich betonte Karl Lugmayer, dass selbst die Arbeiter, nicht we-
niger vernunftbegabt als die Menschen insgesamt, in der Lage seien, Eigen-
verantwortung zu übernehmen und daher aktiven Anteil an der Selbstver-
waltung haben sollten.129 Die Verwirklichung eines Mitspracherechts hielt
er (sc. 1934, E. K.) freilich erst zu einem späteren Zeitpunkt für möglich.130
Die in seinen Augen idealen Strukturen der Zukunft müssten, um die ent-
sprechende „Satzungshoheit“ beanspruchen zu können, „gleichartiger“ zu-
sammengesetzt sein als die gegebenen rein räumlichen Selbstverwaltungs-
körper.131 Paul Schrecker entwarf das Modell einer paritätischen, nicht
proportionalen Vertretung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Garan-
ten der Sachkompetenz.132
Franz Rehrl verglich die Autonomie der Stände mit der alten Gemein-
deautonomie. Die von ihm gewünschten freien Menschen „geben Gott, was
Gottes ist, und dem Staate, was des Staates ist. Darin besteht das wahre
121 Zell, Ständische Staats-Gliederung, 19.
122 PMR VIII/5, Prot. 919/3 (1. 2. 1934), 511.
123 schmit, Christliche Arbeiterbewegung, 85.
124 messner, Ordnung, 21; Klose, Berufsständische Ordnung, 199 f.; mayer-tasch, Korporati-
vismus, 72; streitenberGer, Leitbild, 183.
125 seliGer, Scheinparlamentarismus, 116.
126 födermayr, Vom Pflug, 125; vgl. tálos, Handbuch, 366 (E. brucKmüller).
127 v. weichs, Der Weg, 29.
128 MSchKP 3, 132–138 (L. hänsel).
129 CS 26. 8. 1934 (K. luGmayer) ; F. luGmayer, Karl Lugmayer, 13 f.
130 CS 3. 6. 1934 (K. luGmayer).
131 K. luGmayer, Grundrisse, 83.
132 schrecKer, Für ein Ständehaus, 27.
7.4 ASPEKTE DER BERUFSSTÄNDISCHEN ORDNUNG 447
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580