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zweite Etappe markierte die Schaffung einer Bundeshandelskammer als
Dachorganisation im Jahr 1937. Diese von oben verordnete Vereinheitli-
chung entsprach nicht dem Wesen des berufsständischen Aufbaus336, und
auch ein Versuch von Eugen Margarétha, aus den Kammern ein Amt des
BWR zu machen, scheiterte.337
Im März 1936 einigte sich der Gewerkschaftsbund mit dem Gewerbebund
über die Bildung sogenannter berufsständischer Ausschüsse, die paritätisch
aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu besetzen waren. Am 24. Novem-
ber trat das entsprechende Gesetz in Kraft.338 Durch die Zuständigkeit für
das Schlichtungswesen und die Überwachung der Einhaltung von Kollektiv-
verträgen wurden die Ausschüsse zur zweiten Stufe berufsständischer Zu-
sammenarbeit nach den Werksgemeinschaften; in ihnen fand der ständische
Gedanke zu seiner relativ höchsten Vollendung.339 Franz Waschnig hatte sie
nachdrücklich eingefordert340, Kurt Schuschnigg setzte in sie große Hoffnun-
gen.341 Für Julius Raab waren sie ein Schritt in Richtung Vollendung des
berufsständischen Aufbaus – auch wenn er als christlichsozialer Politiker
mit dem sozialen Ethos des Besitzbürgers mit nüchternem Blick für die „na-
türlichen wirtschaftlichen Interessengegensätze“342 die Anerkennung einer
restlosen Gleichberechtigung der Arbeiterschaft nicht für möglich hielt.343
In Zusammenarbeit mit Johann Staud respektierte er aber die Forderung
des Gewerkschaftsbunds, dass die Unternehmer gerade im Ständestaat die
sozialen Gesetze beachten müssten.344
Vertikale Aufbauversuche
Laut Art. 48 der Maiverfassung waren sieben Berufsstände geplant: Land-
und Forstwirtschaft, Industrie und Bergbau, Gewerbe, Handel und Verkehr,
Geld-, Kredit-und Versicherungswesen, Freie Berufe, Öffentlicher Dienst.345
336 eminGer, Das Gewerbe, 76 und 142; sandGruber, Ökonomie, 396.
337 wohnout, Verfassungstheorie, 401.
338 PMR IX/5, Prot. 1034/11 (9. 7. 1936), 292; orGler, Ständestaat, 194; tálos, Herrschaftssys-
tem (2013), 141–143.
339 PutscheK, Ständische Verfassung, 159–165; schmit, Christliche Arbeiterbewegung, 58 f.;
unterrainer, Wirtschaftspolitik, 51.
340 waschniG, Wirtschaftsreform, 15.
341 K. schuschniGG, Österreichs Erneuerung, 103 f.
342 Zit. nach KluwicK-mucKenhuber, Johann Staud, 92.
343 reichhold, Einführung, 15 f.; schönner, Julius Raab, 381.
344 KluwicK-mucKenhuber, Johann Staud, 99–102.
345 die neue österreichische verfassunG, passim; orGler, Ständestaat, 175 f.
7.5 PROBLEME DER BERUFSSTÄNDISCHEN ORDNUNG 467
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580