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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Parteiensystem. Im Gleichklang mit Hans Kelsen, der anlässlich der Ver- fassungsnovelle von 1929 zu bedenken gegeben hatte, dass es auch Fragen gebe, die nicht (berufs)standesgebunden seien420, bemerkte Oskar von Ho- henbruck zum Verhältnis zwischen Parteien und Ständen, die Weltanschau- ung lasse sich nicht ständemäßig gruppieren, und Parteien könne man schon deshalb nie ganz abschaffen, weil sich die Gesinnung eines Menschen nicht im Beruf erschöpfe, sondern neben diesem bestehe. Daher werde es auch in einem Ständestaat Parteien geben.421 Dem entspricht die aus der Analyse der Ministerratsprotokolle gewonnene Einsicht, dass die Parteien auch nach ihrer formellen Abschaffung faktisch weiterbestanden.422 Von den Mitgliedern der vorberatenden Organe war vor allem Ulrich Ilg ein Anwalt der Demokratie: Mit sichtlichem Stolz verwies er darauf, dass in Vorarlberg in der autoritären Periode berufsständische Wahlen durchgeführt wurden, die einzigen in Österreich; die Politiker dieses Landes hätten immer nachdrücklich auf die Verwirklichung demokratischer Formen gedrängt, und er bedauerte, „dass dies sonst nicht der Fall war“.423 Zur letzten Sitzung des Bundesrats am 1. Mai 1934, deren Aufgabe es war, die Zustimmung zur be- rufsständischen Verfassung zu geben, und an der er als Mitglied des Vorarl- berger Landtags teilnahm, stellte er noch nach Jahren fest: „Die Teilnahme am offiziellen Begräbnis der demokratischen Verfassung hat mich allerdings mit gemischten Gefühlen erfüllt.“424 Hans Karl Zeßner-Spitzenberg lobte die in Vorarlberg gefundene Lösung als Beispiel für eine gelungene Alternative zur „Formaldemokratie“. Detailliert beschrieb er die in seinen Augen vorbild- lichen Ortsbauernratswahlen, bei denen ausnahmsweise auch nicht dem Be- rufsstand angehörende Personen gewählt worden seien, sofern sie nicht ein Mandat in einem anderen Berufsstand hatten. Dies sei wichtig für Lehrer, Tierärzte und andere dem Berufsstand verbundene und nützliche Personen, die ihm nicht unmittelbar angehörten, aber wertvolle Dienste leisteten.425 Andere Mandatare suchten nach Möglichkeiten der Verbindung von parlamentarischer Demokratie und berufsständischer Ordnung. Richard Schmitz glaubte, dass es die Parteien neben den Ständen weiterhin brau- che, „weil bei politischen Entscheidungen die Sachkenntnis beraten, die Gesinnung aber führen muss“.426 Rudolf Henz wollte die parlamentarische Demokratie ebenfalls nicht völlig außer Kraft setzen, sondern sie in anderer, 420 olechowsKi/staudiGl-ciechowicZ, Staatsrechtslehre, 231. 421 v. hohenbrucK, Zur Frage, 5 f. und 35. 422 enderle-burcel/neubauer-cZettl, Staat im Umbruch, 418. 423 ilG, Lebenserinnerungen, 25. 424 ilG, Lebenserinnerungen, 22. 425 CS 3. 5. 1936 (H. K. Zeßner-sPitZenberG). 426 R. schmitZ, Das christlichsoziale Programm, 30. 7. DIE BERUFSSTÄNDISCHE ORDNUNG476
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Titel
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Untertitel
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Autor
Erika Kustatscher
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln - Weimar
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Abmessungen
17.4 x 24.6 cm
Seiten
682
Schlagwörter
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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