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Nexus zu dem wahrer Autorität gesehen und diente, eben weil Werte nicht
verhandelbar sind und nicht zum Gegenstand von Kompromissen werden
können19, als gleichsam ultima ratio zur Rettung hehrer Ideale (Kap. 8.5).
In dieser Wertewelt, in der auch der Legitimismus verankert war, be-
standen viele Möglichkeiten der Bündelung von Elementen, die einen Stand
ausmachen konnten. Was die Zeitgenossen unter einem solchen verstanden
(Kap. 6), deckt ein breites Spektrum an Inhalten ab, und es fällt auf, dass
in ihrem Bewusstsein – aber auch: Empfinden – das sogenannte „Altstän-
dische“ vom „Neuständischen“ häufig keineswegs scharf getrennt war. Alle
hatten das Bild von Gruppen vor Augen, die durch gemeinsame Identifikati-
onspunkte (Rechte oder gar Privilegien sind allenfalls am Rande zu nennen)
verbunden waren. Gerade beim Adel und bei den Bauern, beide im Öster-
reich der Ersten Republik in hohen Ehren, war ständisches Denken sehr
ausgeprägt. Hier waren nach wie vor Haus und Familie zentrale Denkkate-
gorien, jene Strukturen also, die als Urgrund des Subsidiaritätsprinzips zu
betrachten sind und die auch das Wesen der alteuropäischen „Ökonomik“
(O. Brunner) ausmachten. In dieser wiederum ist der Begriff ordo verankert,
jene feste, naturgegebene, dem Schöpfergott zu verdankende, daher im Letz-
ten ein Geheimnis bleibende Ordnung, die sowohl für das große Ganze des
Kosmos als auch für die Gesellschaft als relevant galt.
Dem Haus als der untersten Ebene der Gesellschaft entsprachen auf hö-
heren Ebenen die Gemeinde, das Land, die Nation, das Reich. Und so wie die
Verankerung im Haus als eine gefühlsmäßige betrachtet wurde, galt auch
die Heimat, die engere und die weitere, als ein für den Menschen wichti-
ger Bezugspunkt. Zwar ginge es zu weit, Heimat – oder auch Nation – als
einen Stand zu bezeichnen, dass aber diese Räume „ständisch“ denkenden/
fühlenden Menschen wichtiger waren als anderen, ist ein im analysierten
Diskurs vielfach nachzuweisender Gedanke. Es entstand ein ausgeprägter
Österreichpatriotismus, der ein Gegengewicht zu dem in manchen Kreisen
ventilierten Gedanken eines Anschlusses der territorial geschrumpften Re-
publik an Deutschland sein wollte. Eine seiner Erscheinungsformen war ein
starkes Interesse an der Vergangenheit, des Heiligen Römischen Reichs glei-
chermaßen wie des „übernationalen“ habsburgischen Vielvölkerreichs, das
man dem unhistorischen Ansatz des „preußischen“ Nationalsozialismus ent-
gegenhielt. Um einen Nationalismus, wie er für faschistische Systeme kenn-
zeichnend ist, handelte es sich bei der in derlei Werten sich verdichtenden
Österreichidee (nicht „Ideologie“) nicht.
Eine allgemein verbindliche Definition für „Stand“ ließ sich nicht finden:
So wich man auf den Berufsstand aus (Kap. 7). Othmar Spann machte hier-
19 stollberG-rilinGer, Die Historiker, 36.
9. RESÜMEE: STATUS IST ORDO 533
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580