Seite - 19 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 19 -
Text der Seite - 19 -
1.1. Begriffe 19
cherten sozialgeschichtlichen Fragestellungen andererseits. Der hier verfolgte, nicht
primär auf wirtschaftsgeschichtliche Fragen abhebende mikrohistorische Ansatz, von
dem sich Gorißen so strikt distanziert,45 bringt allerdings – entgegen seiner harschen
Kritik an den Studien Kriedtes, Medicks und Schlumbohms – auch Erkenntnisse, die
zum besseren Verständnis protoindustrieller Gewerbelandschaften mehr beitragen als
lediglich „Beispielsammlungen zur Demografie und Haushaltsforschung“46. Es erge-
ben sich Einblicke in das soziale Gefüge der „Gewerberegion“ Stubaital beziehungs-
weise des Pfurtscheller’schen Verlagssystems, die die aus einer wirtschafts- und un-
ternehmensgeschichtlichen Perspektive gewonnenen Erkenntnisse erweitern können
– durch den Blick auf das Verhältnis zwischen Kaufmann beziehungsweise Verleger
und seiner Umgebung auch abseits rein ökonomischer Aspekte, besonders im Hin-
blick auf sich aus dem Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Verlegten und ihrem
Verleger ergebende Konfliktpotenziale in der Region etwa, oder durch Einblicke in
mögliche Interferenzen ökonomischer und nicht-ökonomischer Rationalitäten47, die
Entscheidungen der Akteure beeinflussen konnten.48
1.1.4. Bürger und Bauern
Dass eine Untersuchung, die vorgibt, „Modelle und Kategorien überprüfen“ zu wol-
len, die Begriffe „Bürger“ und „Bauer“ im Titel führt, bedarf einer Erklärung: Mi-
chael Pfurtscheller war ein Bauer – im ständischen Sinn. Als Insasse eines Tiroler
Landgerichts war er im Rahmen der in die vier Stände Bauern, Bürger, Geistlichkeit
und Adel gegliederten Gesellschaft des Landes eindeutig der ersten Gruppe zuzuord-
45 Vgl. ebd., S. 12.
46 So das Urteil Gorißens über die Arbeiten Kriedtes, Medicks und Schlumbohms: Gorißen, Vom
Handelshaus zum Unternehmen, 2002, S. 19.
47 Vgl. z. B. Giovanni Levis Ausführungen zu Preisbildungen auf dem Grundstücksmarkt im piemon-
tesischen Santena: Giovanni Levi, Das immaterielle Erbe. Eine bäuerliche Welt an der Schwelle zur
Moderne, aus dem Italienischen übersetzt von Karl F. Hauber und Ulrich Hausmann, Berlin 1986,
S. 86–106.
48 Kritik an Gorißens „Vom Handelshaus zum Unternehmen“ hinsichtlich einer Unterbelichtung der-
artiger sozialgeschichtlicher Aspekte findet sich etwa in: Heinrich Hartmann, Rezension zu: Stefan
Gorißen, Vom Handelshaus zum Unternehmen. Sozialgeschichte der Firma Harkort im Zeitalter
der Protoindustrie (1720–1820), Göttingen 2002, in: H-Soz-u-Kult, 30. April 2003, [http://www.
hsozkult.de/publicationreview/ id/rezbuecher-1606], Zugriff am 30. November 2015; sowie: Beate
Althammer, Rezension zu: Stefan Gorißen, Vom Handelshaus zum Unternehmen. Sozialgeschichte
der Firma Harkort im Zeitalter der Protoindustrie (1720–1820), Göttingen 2002, in: sehepunkte 3
(2003), Nr. 12, 15. Dezember 2003, [http://www.sehepunkte.de/2003/12/4578.html], Zugriff am
30. November 2015.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435