Seite - 75 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 75 -
Text der Seite - 75 -
3.1. 1797 75
3.1.5. Das Ergebnis der Kämpfe
Die kombinierte Aktion von regulären österreichischen Truppen, Schützen und
Landstürmern, die an diesem 2. April 1797 durchgeführt wurde, war aus militä-
rischer Sicht, darin ist sich die jüngere Historiographie einig, ein Fehlschlag. An
vier von fünf Punkten seien Tiroler beziehungsweise Österreicher zurückgedrängt
worden, oder aber sie hatten gar nicht erst angegriffen. Die Ausnahme sei die linke
Kolonne Wörndles und der später berühmt gewordene Kampf in und um den Weiler
Spinges gewesen. General Jouberts Truppen jedenfalls zogen wenige Tage später ohne
auf Widerstand zu treffen durch das Pustertal nach Osten ab, erreichten am 8. April
Lienz und verließen dann Tiroler Boden. Dass der Einsatz der Tiroler Landesvertei-
diger der Grund für die „Räumung“ Tirols gewesen sei, wie besonders ältere Literatur
häufig zu vermitteln versuchte, ist weit übertrieben. Jouberts Aufgabe war der Schutz
der linken Flanke von Napoleons Hauptarmee, und exakt diesen Auftrag erfüllten
seine Truppen auch, wenn auch mit beträchtlichen Verlusten. Am Verlauf des Krie-
ges Frankreichs gegen Österreich änderte der Einsatz der Tiroler jedenfalls wenig bis
nichts. Nachdem am 7. April Leoben in der Steiermark eingenommen worden war,
wurde am 18. der Vorfriede von Leoben geschlossen, Grundlage für den Frieden
von Campo Formio vom 17. Oktober 1797, der den ersten Koalitionskrieg schließ-
lich beendete. Österreich trat die österreichischen Niederlande an Frankreich ab, die
Herzogtümer Mailand, Modena und Mantua gingen an die Cisalpinische Republik.
Venedig, Istrien und Dalmatien wurden im Gegenzug dem Kaiser zugesprochen.92
Auch Michael Pfurtscheller zeigt sich in seinem Bericht mit dem Ausgang der Aus-
einandersetzungen nicht zufrieden. Er ist überzeugt, man hätte es den französischen
Truppen zu leicht gemacht. Er übt in seinem Bericht Kritik an Kreishauptmann An-
ton Leopold von Roschmann93. Dieser habe das Aufgebot des Pustertales wieder nach
Hause geschickt, anstatt mit dessen Hilfe den Durchzug der französischen Truppen
nach Osten zu verhindern.94 Weniger klar als in Pfurtschellers Aufzeichnungen stellt
sich die Antwort auf die Frage, warum sich im Pustertal kein Widerstand erhob,
angesichts der Ausführungen Josef Fontanas dar. Roschmann habe sich nach Norden
abgesetzt, und von vornherein habe es im Pustertal eine „Unterwerfungspartei“ gege-
ben, die in erster Linie bestrebt gewesen sei, Schaden von der Region abzuwenden,
92 Vgl. Fontana, Südtiroler Unterland, 1998, S. 155 f.; sowie: Schennach, Revolte, 2009, S. 101 f.
93 Anton Leopold von Roschmann d. Ä. (1746–1820) war zunächst Kreishauptmann in Bozen, ab
Anfang 1797 dann im Pustertal. (Vgl. Wurzbach, Lexikon, Bd. 26, 1874, S. 351; sowie: Franz von
Krones, Roschmann, in: ADB, Bd. 29, Leipzig 1889, S. 167–173, hier: S. 171.)
94 Vgl. Kopie Bericht Pfurtschellers zu 1797, Oktober 1834, TLMF-Bib., FB 55495, S. 16.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435