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180 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
von Stolz’. Dieser gibt noch einmal Aufschluss über die bereits thematisierte Diszi-
plinlosigkeit der Landstürmer:
„Die Vorstehungen werden es übrigens nicht darauf ankommen lassen, daß die frem-
den Land Stürmer selbsten sich an Ort und Stelle verfügen um die Pferde u. Wägen
abzuholen.“551
Die Andeutung von Stolz’, im Falle einer Nichtbeachtung seiner Anordnung würden
Landstürmer diese eigenmächtig vor Ort durchsetzen, kam offensichtlich einer Dro-
hung gleich. Der hier entstehende Eindruck deckt sich mit dem von Pfurtscheller
gezeichneten Bild des unkontrollierbaren Tiroler Landsturmes.
Das zweite Schreiben wurde am folgenden Tag, ebenfalls in Schönberg, von
Andreas Hofer unterzeichnet. „Comandant Glazl“552 wird darin ersucht, „denen De-
putierten von Stubey“, Mazegger und Danler, Männer zur Bewachung der Straße von
Kreith nach Telfes und über den Gallhof zur Verfügung zu stellen.553
3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“
Angesichts der gut dreifachen – laut Schemfil fünffachen – Übermacht der Österrei-
cher und Tiroler, der immer schwieriger werdenden Versorgungslage in Innsbruck
und der drohenden Gefahr, in der Stadt eingeschlossen zu werden, zogen sich die
bayerischen Truppen – ca. 5400 Mann – über Nacht vom 29. auf 30. Mai 1809
durch das Inntal Richtung Bayern zurück. Zum zweiten Mal seit Mitte April war es
also gelungen, den Gegner aus Innsbruck und in der Folge aus Tirol zu verdrängen.
Lediglich die Grenzfestung Kufstein hielten die Bayern weiterhin.554
551 Unterlagen zu J. Rapp Tyrol 1809, TLMF-Bib., FB 1649, Periode II, Nr. 86.
552 Josef Glatzl (1767–1837) aus Meran kämpfte im Mai 1809 mit Aufgeboten aus Meran und dem
Burggrafenamt am linken Flügel beziehungsweise im Zentrum der Tiroler. (Vgl. Maretich, Zweite
und dritte Berg Isel-Schlacht, 1895, S. 37 u. 110; sowie: Schmölzer, Kampfgenossen, 1905, S. 99.)
Das zitierte Schreiben erreichte Glatzl in Mieders, wohin sich die Tiroler Aufgebote des linken Flü-
gels nach dem misslungenen Angriffsversuch vom 25. Mai 1809 zurückgezogen hatten.
553 TLMF-Bib., FB 2729, Nr. 11; in edierter Form findet sich das Schreiben hier: Oberhofer, Weltbild,
2008, S. 195.
554 Vgl. Schemfil, Freiheitskrieg, 2007, S. 169–171; sowie: Schennach, Revolte, 2009, S. 125–127. –
Anton Knoflach notiert in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai in sein Tagebuch: „¼ nach 12 Uhr
Nachts: Schon seit ½ Stunde ziehen unter meinen Fenstern in aller Stille baier. Truppen vorüber. Sie
verlassen mit Gen. Deroi die Stadt und nun hat sich auch die Hauptwache an sie angeschlossen. Ein
Baier, der soeben weinend und über die Bauern schimpfend von der Innbrücke her kam, sagt: die
Bauern seyen schon sehr nahe an der Stadt.“ (Schumacher, Knoflach’s Tagebuch, 1909, S. 16.)
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435