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3.5. 1848 257
betrachteten Österreich – das war eine Idee, die auch im italienischsprachigen Teil
Tirols durchaus einigen Zuspruch fand.860 Diese „wälsche Anmaßung“861 sowie vor
allem die militärische Reaktion auf diese – gemeint ist in erster Linie der Einsatz
freiwilliger Schützenkompanien zum Schutz der Südgrenze des Landes, worauf in der
Folge noch detaillierter eingegangen wird – waren die für Tirol wesentlichsten As-
pekte des Revolutionsjahres 1848862 – ein Eindruck, der sowohl angesichts der sich
mit 1848 beschäftigenden Literatur als auch hinsichtlich der Zusammensetzung der
mit Michael Pfurtscheller in Beziehung stehenden Quellen zu diesem Jahr verstärkt
wird.863 Es waren vor allem die Aufrufe zur Landesverteidigung gegen die Bedrohung
aus dem Süden, die die Revolution auch in die hintersten Talschaften brachte – aber
eben nicht nur diese, wie sich in den folgenden Unterkapiteln zeigen wird.
3.5.1.1. Stubaier Reaktionen auf revolutionäre Ereignisse
Hinsichtlich der Frage, wann und über welche Informationsflüsse „die Stubaier“
von den revolutionären Entwicklungen in Wien erfuhren, ergibt sich ein unlösbares
Quellenproblem: Es ist schlichtweg nicht ermittelbar, wer von wem auf dem Brief-
weg informiert wurde, wer die Nachrichten von einem etwaigen Geschäftstermin
in Innsbruck ins Tal brachte, oder wer seine Informationen aus welchen Zeitungen
bezog. Aufgrund der vielfältigen Verflechtungen zwischen dem Tal und der Landes-
sich in edierter Form hier: Narciso Nada (Cur.), Le relazioni diplomatiche fra l’Austria e il Regno
di Sardegna, 2. Serie, Vol. 4 (Fonti per la storia dell’Italia moderna e contemporanea 148), Roma
1997, S. 312–317. – Der Kommandierende der kaiserlichen Truppen in Oberitalien, Feldmarschall
Radetzky, war bereits Mitte November 1847 überzeugt, dass es im Frühjahr 1848 zu einem Angriff
sardisch-piemontesischer Truppen auf die Lombardei kommen werde: „Der König von Piemont
hat die Masque abgeworfen und ist an der Spitze der Revolution, ich glaube demnach, mich in die
Verfassung des Kriegs versetzen zu müssen, um vor den Thoren Mailands mich anfangs Frühjahrs zu
schlagen […]“ (Vgl. Alan Sked, Radetzky. Imperial Victor and Military Genius, London-New York
2011, S. 124 f.; sowie das Zitat aus dem Werk, auf das sich auch Sked beruft: Bernhard Duhr (Hg.),
Briefe des Feldmarschalls Radetzky an seine Tochter Friederike. 1847–1857, Wien 1892, S. 63.)
860 Vgl. Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S. 56–63; sowie: Götz, Bürgertum und Liberalismus,
2001, S. 123–132.
861 Eberle, Eine Tiroler Schützenkompagnie, 1849, S. 3. – Heiss und Götz orten auch „Ausfälle späterer
Historiker Deutschtirols gegen den ‚welschen Verrat‘“ (Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S.
61.) – beispielsweise bei: Michael Mayr, Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine
Entwicklung vornehmlich in Tirol, 21917, S. 4–8 u. 126 f.
862 Vgl. Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S. 52.
863 Vgl. z. B. Eberle, Eine Tiroler Schützen-Kompagnie, 1849; sowie: Helfert, Landesvertheidigung
1848, 1904; sowie: Fontana, Restauration-Revolution, 1986, S. 581–760; sowie: Heiss/Götz, Rand
der Revolution, 1998; sowie: M. Egger, „Für Gott, Kaiser und Vaterland zu Stehen oder zu Fal-
len …“, 2012.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435