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414 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
beim Kreisamt in Schwaz verfassten Protokoll des Lokalaugenscheines, empfehle man,
das Bittgesuch Pfurtschellers zu genehmigen, da der Neubau nicht nur „den Bau- und
Feuersicherheits-Vorschriften eben so, wie den Bedürfnissen des Bauwerbers weit mehr
als das gegenwärtige Granderhaus entspricht, sondern auch […] weil das befragliche
neue Gebäude der Fabriksgemeinde Vulpmes zu einer neuen Zierde dienen wird“.199
6.4.1. Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Wirten
Die bereits angedeuteten rechtlichen Trennlinien zwischen den unterschiedlichen
Typen von Wirten – Hans Heiss spricht unter Bezugnahme auf die Verhältnisse in
der Stadt Brixen um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert über die Abstufungen
von Tabern-, über Baum- bis hin zu Bierwirten – „verschwammen“ in der Realität,200
oder, in anderen Worten: Sie wurden übertreten. Ein Beispiel für einen Konflikt, den
solche Übertretungen auslösen konnten, sind die sich offenbar über Jahre hinziehen-
den Streitigkeiten zwischen den Neustifter Wirten Thomas Salzburger und Franz
Ribis. Am 28. August 1819 beschwerte sich Weinwirt Salzburger beim Landgericht
Matrei über Franz Ribis. Dieser koche für seine Gäste, obwohl es ihm als Bierwirt
eigentlich lediglich erlaubt war, kalte Speisen zu servieren.201 16 Jahre später – Franz
Ribis hatte inzwischen die Schankwirtschaft an seine Tochter und seinen Schwieger-
sohn Peter Alt übergeben – wandte sich Salzburger wiederum an das Landgericht.
199 LG Mieders an KA Schwaz, 12. März 1835, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 43, 1835, Abt. VII.
– Das in der Folge erbaute Gebäude wurde im Jahr 1965 abgerissen. (Vgl. Pittl, Granderhaus, 1981.)
200 Vgl. Heiss, Zentralraum, 2001, S. 22. – Die wohl grundlegendste Unterscheidung zwischen den
verschiedenen Etablissements war die bereits in der Tiroler Landesordnung aus dem Jahr 1573 vor-
kommende zwischen „Gastgeb“ und „Wirt“. (Vgl. Tiroler Landesordnung 1573 (= „New reformierte
Landsordnung der fürstlichen Grafschaft Tirol, Innsbruck 1573), Buch VI, Titel 15.) Während Ers-
terer auch befugt war, Fremde zu beherbergen, war Letzterer auf das Servieren von Getränken und
Speisen beschränkt. (Vgl. Otto Stolz, Rechtsgeschichte des Bauernstandes und der Landwirtschaft
in Tirol und Vorarlberg, Bozen 1949, S. 352.) Wie Fritz Trefz für das Wirtsgewerbe in München
beschreibt, gab es „unterhalb“ dieser Unterscheidungsebene eine Fülle von unterschiedlichen Befug-
nissen und Konzessionen beziehungsweise Gerechtigkeiten oder Gerechtsame, die zu einer starken
Ausdifferenzierung zwischen den einzelnen Wirten führten. Von klar umreißbaren „Wirtsgruppen“
zu sprechen ist daher problematisch. (Vgl. Fritz Trefz, Das Wirtsgewerbe in München. Eine wirt-
schaftliche und soziale Studie (Münchener volkswirtschaftliche Studien 33), Stuttgart 1899, S. 1–5.)
In dem folgenden aus den Quellen zum Stubaital ausgewählten Beispiel für Kompetenzstreitigkeiten
zwischen Wirten verläuft die Konfliktlinie jedenfalls offenbar zwischen Wein- und Bierwirt.
201 Vgl. Beschwerde Thomas Salzburger gegen Franz Ribis, 28. August 1819, TLA, Aktenserie LG Ma-
trei, Fasz. 2, 1819, Abt. IV. – Es wurde diesbezüglich in der Folge eine Verhandlung auf den 10.
September 1819 angesetzt. Quellen, die Auskunft über den weiteren Verlauf dieser Angelegenheit
geben würden, fehlen jedoch.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435