Seite - 410 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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410 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt
Zu Michael Pfurtscheller als Wirt finden sich weit weniger relevante Quellen als zu
seiner Tätigkeit als Verleger und Metallwarenhändler. Letztere nahm den Großteil
seiner Zeit in Anspruch, brachte andererseits auch den Großteil der Einnahmen der
Familie. In Michael Pfurtschellers Nachlass sind – wohl infolgedessen – nur sehr we-
nige die Gastwirtschaft betreffende Quellen erhalten. Die dem folgenden Abschnitt
zugrundeliegenden Materialien stammen mit wenigen Ausnahmen aus den Archiven
des jeweils für die Region Stubai zuständigen Gerichtssprengels.
Wie bereits an anderer Stelle erörtert, war der Grundstein zur Pfurtscheller’schen
Bierschenke wahrscheinlich mit der Hochzeit Blasius Pfurtschellers mit Anna Egger,
Tochter des Bier- und Branntweinwirts Mathias Egger, im Jahr 1739 gelegt worden.
In weiterer Folge ging sie zunächst per Vermögensübergabe vom 6. Juli 1772 vom
Großvater Michael Pfurtschellers, Blasius, an dessen Sohn Matthäus Pfurtscheller
über. Nachdem dieser 1777 gestorben war, standen die Genuss- beziehungsweise
Nutzungsrechte aufgrund einer testamentarischen Verfügung zunächst für die Dauer
von 22 Jahren der Witwe Gertraud Wiesflecker zu, die diese dann ab 1779 mit ihrem
zweiten Ehemann Johann Volderauer teilte. 1799 kam die Schankwirtschaft dann
schließlich in den Besitz Michael Pfurtschellers.183
Derartige Bier- und Branntweinschenken unterschieden sich stark von den in der
bisherigen Tiroler Forschung184 hauptsächlich berührten Häusern der sogenannten
„Tabern-“ beziehungsweise „Tafernwirte“, die, oft entlang der Transitrouten des Lan-
des gelegen, ihre Gäste nicht nur mit Getränken und Speisen versorgten, sondern
diese auch beherbergten, Möglichkeiten zur Einstellung von Fuhrwerken boten, und
in denen auch die Zugtiere verpflegt wurden – das Angebot reichte dabei mitunter
bis hin zum hauseigenen Hufschmied.185 Bier- und Branntweinwirte wie die Pfurt-
schellers, auch als „Fratschler“ bezeichnet, deckten demgegenüber hauptsächlich den
lokalen Bedarf, betrieben Kleinausschank im Dorf.186
Die Ausmaße der Schankwirtschaft zum Zeitpunkt der Übernahme durch Mi-
chael Pfurtscheller lassen sich aus dem Inventarverzeichnis zur Verlassenschaftsab-
handlung seines Stiefvaters Johann Volderauer aus dem Jahr 1799 erahnen.187 In der
183 Vgl. Kap. 5.1.
184 Vgl. z. B. Weingartner, Wirtshäuser und Wirtsfamilien, 1956; sowie: Frass/Riedl, Historische Gast-
stätten, 1978; sowie: Heiss, Das Gastgewerbe der Stadt Brixen, 1985.
185 Vgl. Heiss, Zentralraum, 2001, S. 21; sowie: Anm. 103.
186 Vgl. Heiss, Zentralraum, 2001, S. 22.
187 Vgl. Vermögensaufteilung Franz Volderauer – Michael Pfurtscheller, 8. April 1811, TLA, VB Stubai,
34/244, Registerteil 3, Bl. 39–55, Beil. 3.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435