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268 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
3.5.1.2. Das Stubaital wählt
Die neuen, von der Revolution erstrittenen Volksvertretungen – Nationalversamm-
lung in Frankfurt, Reichstag in Wien sowie der reformierte Landtag906 in Innsbruck
– machten nun die Durchführung von Wahlen zur Ermittlung der zu entsendenden
Repräsentanten erforderlich.907 Im Mai und Juni wurden in dichter Aufeinanderfolge
die Wahlen zu allen drei Gremien durchgeführt.908 Die folgende, exemplarische Un-
tersuchung des Ablaufs einer dieser Wahlen im Stubaital soll den obigen Stimmungs-
bericht aus dem Revolutionsjahr 1848 ergänzen.
Die dichteste Quellenbasis ist im Bezug auf das Stubaital zur Wahl der Tiroler
Abgeordneten zur Nationalversammlung in Frankfurt gegeben.909 Es war die erste
Johann Pfurtscheller diesen Begriff in seinen Wortschatz integrierte, lässt sich also nicht ermitteln –
mit Sicherheit jedoch nicht aus dem besagten Stück Nestroys.
906 Im April 1848 war etwa – auf Grundlage eines von Landesgouverneur Clemens Graf Brandis als
Reaktion auf die sich mehrenden Rufe nach einer Reform des Ständewesens erarbeiteten Entwurfes –
die Zahl der Abgeordneten zum Ausschusskongress des Tiroler Landtages von 52 auf 72 erhöht, das
lebenslange Mandat abgeschafft und der künftig öffentliche Charakter der Sitzungen des Landtages
eingeführt worden. Die zwanzig neuen Sitze waren mit Vertretern der Städte und des Bauernstandes
zu besetzen. Adel und Klerus waren dadurch nun weniger stark überrepräsentiert – mit 26 Abge-
ordneten – als bisher. Auch der italienischsprachige Landesteil erhielt mehr Mitspracherecht, blieb
jedoch unterrepräsentiert. (Vgl. Roman Bacher, Der Tiroler Provinziallandtag von 1848 im Rahmen
der allgemeinen österreichischen Verfassungsentwicklung (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissen-
schaft, Sonderheft 71), Innsbruck 1991, S. 44–59; sowie: Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998,
S. 99–101.)
907 Vgl. zur Durchführung der Wahlen des Jahres 1848 – wie bereits mehrfach erwähnt – im Allgemei-
nen: Stockinger, Dörfer und Deputierte, 2012. – Der Schwerpunkt der Studie liegt zwar bei den
Reichstagswahlen in Niederösterreich, sie beinhaltet jedoch auch eine Fülle von auch für die übrige
Habsburgermonarchie relevanten Ergebnissen.
908 Vgl. Stockinger, Dörfer und Deputierte, 2012, S. 98–129. – Dazu sind auch die in den Akten des
Landgerichts Mieders erhaltenen Reisekostenabrechnungen der Stubaier Wahlmänner zu beachten:
Vgl. TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 56, 1848, Abt. XVI.
909 In den Akten des Landgerichtes Mieders findet sich auch eine beträchtliche Anzahl von Quellen,
die Auskunft über die Reichstagswahlen geben – darunter auch Angaben zur Wahlbeteiligung oder
etwa das Protokoll zur in Neustift am 2. Juni 1848 durchgeführten Kür der Wahlmänner zur Reichs-
tagswahl. (Vgl. TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 56, 1848, Abt. XVI.) – Ausschlaggebend für
die Entscheidung, hier dennoch die Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung etwas näher zu
untersuchen, sind Briefe des Johann Pfurtscheller an seinen Bruder Franz – beides Söhne Michael
Pfurtschellers – aus dem Jahr 1848. In zwei dieser im Nachlass Michael Pfurtschellers erhaltenen,
zwischen dem 28. April und dem 26. Mai verfassten Briefe, nimmt der zum Wahlmann gekürte
Johann Pfurtscheller ausführlich Bezug auf die Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung. (Vgl.
Johann Pfurtscheller an Franz Pfurtscheller, 9. u. 17. Mai 1848, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP,
IV, Bund 1, Nr. 56 u. 60.) Eine eingehendere Untersuchung der Wahlen des Jahres 1848, wie
sie Thomas Stockinger für Niederösterreich vorgelegt hat (Vgl. Stockinger, Dörfer und Deputierte,
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435