Seite - 398 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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398 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
6.3.4. Die Wirtschaftskrise und Michael Pfurtschellers Aufstieg als Verleger
„Wären nicht die beyden Verleger in Stubay Kapferer zu Telfes, und Michael Pfurtscheller
in Vulpmes, welche vielen Schmieden das Eisen a conto, ihnen auf eigene Kosten Waaren
und Muster bringen lassen, geben würde das Ellend noch viel größer als es dermahl ist
seyn.“139
So urteilt Landgerichtsassessor Johann von Anreiter zur Krise der Stubaier Metallwa-
renproduzenten im Jahr 1808 und beschreibt die kapitalkräftigen Stubaier Verlags-
häuser als Rettungsanker für die wirtschaftlich maroden Schmiede.
Wenige Jahre später, im Herbst 1814, wird das von von Anreiter so positiv ge-
zeichnete Bild des altruistischen Handelsunternehmers Michael Pfurtscheller dann
relativiert. In der nun bereits mehrfach erwähnten Beschreibung seiner Fußreise in
die Umgebung von Innsbruck zitiert Andreas Alois Dipauli den Stubaier Landrich-
ter, der das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Fulpmer Schmieden und Michael
Pfurtscheller heftig kritisiert.140
In der Folge soll nun untersucht werden, wie es Michael Pfurtscheller gelang,
das von Dipauli beschriebene System der Abhängigkeit aufzubauen und dadurch zur
wohl gesellschaftlich, wirtschaftlich und in Teilen auch politisch einflussreichsten
Person der Region aufzusteigen.
6.3.4.1. Das Handelsmodell Pfurtschellers
Landgerichtsassessor Johann von Anreiter – wie im Übrigen auch noch andere zeitge-
nössische Quellen – bezeichnet Michael Pfurtscheller141 als „Verleger“.142
139 Johann von Anreiter beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten vom
Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil E, Nr. 6.
140 Vgl. Andreas Alois Dipauli, „Bemerkungen auf einer kleinen Fußreise in die Umgebungen von Inns-
bruck, im J. 1814. Von Andr. Alois de Pauli, k.k. Appellationsrath.“, TLMF-Bib., Dip. 692/IV, S.
27 f. – Das wörtliche Zitat findet sich in Kap. 4.4.
141 Nach dem Tod Johann Volderauers wurden die Handelsgeschäfte – wie bereits erwähnt – unter dem
Namen „Johann Volderauers Erben“ fortgeführt, zunächst bis 1811 von Stiefsohn Michael Pfurt-
scheller, Sohn Franz Volderauer und der Witwe Gertraud Wiesflecker, bis 1815 dann von Michael
Pfurtscheller alleine. Ab 1. August 1815 wurden die Geschäfte dann unter dem Namen „Michael
Pfurtscheller“ geführt. (Vgl. Kap. 5.1.; sowie: 5.2.2.; sowie: „Verzeichnis der Stubajer Handels-Com-
pagnien“, 23. August 1822, TLMF, Hist. Samml., Schachtel „Zünfte – Schmiede im Stubaital“, Nr.
22.) Vereinfachend wird im Folgenden lediglich von Michael Pfurtscheller als Verleger und Handels-
mann die Rede sein.
142 Vgl. Johann von Anreiter beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435