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3.3. 1809 223
len. Diese weisen darauf hin, dass Pfurtscheller als eben noch führender Akteur der
Erhebung im Stubaital offensichtlich sehr rasch fähig war, sich mit den siegreichen
vormaligen Gegnern zu arrangieren.
3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge
„Seid Ihrer Abreise sind noch mehrer Plinderfuhren in Stubay gekommen.“714 – Diese
Mitteilung des Fulpmer Gemeindebeisitzers Michael Falbesoner erreichte Michael
Pfurtscheller Mitte Mai in Tulfes, wohin er – wie bereits erwähnt – mit dem Stubaier
Landsturmaufgebot beordert worden war, um sich den durch das Unterinntal vorrü-
ckenden bayerischen Truppen entgegenzustellen.715
Was genau Falbesoner mit „Plinderfuhren“716 gemeint haben dürfte, erhellt sich aus
verschiedenen, außerhalb des Stubaitales entstandenen Quellen zur Tiroler Erhebung
von 1809. Martin Schennach führt unter Berücksichtigung dieser aus, dass „das Stu-
bai- und Sellraintal als Rückzugsmöglichkeit für den Raum um Innsbruck dienten“.717
Vor allem im Zuge der bayerischen „Wiederbesetzungen“ Tirols im Mai, Juli und Ok-
tober 1809 „seien Fuhren von Flüchtlingen ohne Ende“ durch Innsbruck gezogen, be-
richtet Anton Knoflach in seinem Tagebuch. Zum 22. Oktober notiert er: „Ich glaube
kaum, daß in den Dörfern von Schwaz bis hieher noch ein Mensch zu Hause blieb.“718
Der bereits genannte Wiltener Joseph Patsch nimmt in seinem Bericht zu den
Ereignissen des Jahres 1809 auch Bezug auf die Flucht vieler seiner Landsleute. So
seien auch seine Eltern sowohl im Mai als auch Ende Oktober vor den anrückenden
bayerischen Truppen geflohen.719 Schennach verweist auch auf die Aufzeichnungen
714 Michael Falbesoner und Johann Lutz an Michael Pfurtscheller, 16. Mai 1809, TLMF, Hist. Samml.,
Nachl. MP, III, Bund 2, Nr. 27.
715 Vgl. Kap. 3.3.5.5.
716 „plindern“: „In Tirol bedeutet plindern (zu plunder ‚Hausrat‘) normalerweise nicht ‚ausrauben‘,
wie das schriftsprachliche plündern, sondern ‚in eine andere Wohnung umziehen‘ […]“ (Johannes
Kramer, Etymologisches Wörterbuch des Dolomitenladinischen, Bd. 5, Hamburg 1993, S. 320.) –
Vgl. auch: Josef Tscholl, Die Südtiroler Mundart in Wortschatz und Struktur, Brixen 22001, S. 68 f.;
sowie: Josef Schatz, Wörterbuch der Tiroler Mundarten, Bd. 1 (Schlern-Schriften 119), Innsbruck
21993, S. 93; sowie: Kommission für Mundartkunde und Namensforschung (Hg.), Wörterbuch der
bairischen Mundarten in Österreich, Bd. 3, Wien 1983, Sp. 487.)
717 Schennach, Revolte, 2009, S. 501.
718 Schumacher, Knoflach’s Tagebuch, 1909, S. 68.
719 „Seine eigenen Eltern […] flüchteten nachweislich sowohl im Mai als auch Ende Oktober für rund
zehn Tage von Wilten ins nahe gelegene, jedoch bei weitem nicht so exponierte Stubaital.“ (Schen-
nach, Revolte, 2009, S. 499.) In Patschs Bericht wird allerdings weder direkt auf das Stubaital noch
auf die Aufenthaltsdauer von zehn Tagen verwiesen. (Vgl. „Beyträge zur Geschichte des Tiroler=
Krieges im Jahre 1809, von Joseph Patsch“, TLA, Materialiensammlung Rapp, Schuber 13, Hs. 7,
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435