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6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales
Die wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen im Stubaital zur Zeit Michael Pfurt-
schellers unterschieden sich nicht wesentlich von denen in anderen Gebirgstälern
Tirols. Die landwirtschaftlichen Ressourcen reichten bei weitem nicht aus, die Be-
völkerung der Region zu ernähren. Auch im verglichen mit den anderen Orten des
Stubaitales am stärksten agrarisch geprägten Neustift wurde daher weniger subsis-
tenzwirtschaftliche, sondern eher marktorientierte Landwirtschaft betrieben. Als
die – damals bayerische – Obrigkeit 1812 einen Fragebogen „Die Statistick, und
Verbesserung der Landwirthschaft im Innkreise betreffend?“ aussandte, erarbeiteten
die Gemeindevorsteher von Neustift und Fulpmes, Peter Volderauer und Michael
Pfurtscheller, ein Antwortschreiben, welches die Lage der lokalen Landwirtschaft
als problematisch skizzierte: Die Böden seien schlecht, die klimatischen Bedingun-
gen aufgrund der nasskalten Witterung ebenso. Hauptsächlich würden Roggen und
Gerste angebaut, außerdem noch Bohnen, Erbsen und Mais in kleineren Mengen.
Die Produktion sei jedoch keinesfalls ausreichend, jährlich müssten zwischen 1800
und 2000 Star1 Roggen, Gerste und Mais aus benachbarten Gerichten, hauptsäch-
lich jedoch aus Innsbruck zugekauft werden. Ausgeprägte Almwirtschaft mit Rindern
sei aufgrund der unvorteilhaften Topographie und des Mangels an Mastfutter nicht
möglich, es würde indes verstärkt auf Schafzucht gesetzt. Dennoch würden alljährlich
etwa 200 Ochsen zur Fleischproduktion nach Italien verkauft, wohin überhaupt der
meiste Handel mit Vieh erfolge.2
Als der bereits mehrfach genannte Joseph von Stolz im Rahmen der Recherche
für einen Artikel im „Sammler für Geschichte und Statistik von Tirol“3 einen Fra-
1 Laut Wilhelm Rottleuthner entspricht ein solcher „Star“ in Tirol zwischen 30,571 – ein „gestriche-
ner Star“ – und 38,164 – ein „gehäufter Star“ – Litern. Bis zu rund 76 Kubikmeter Getreide mussten
demzufolge also jährlich zugekauft werden. (Vgl. Wilhelm Rottleuthner, Alte lokale und nichtmet-
rische Gewichte und Maße und ihre Größen nach metrischem System. Ein Beitrag in Übersichten
und Tabellen, Innsbruck 1985, S. 64.)
2 Vgl. Statistische Erhebungen zur Landwirtschaft im Stubaital, 20. Dezember 1812, TMLF, Hist.
Samml., Schachtel „Abhandlungen. Berichte, Informationen, ‚Abschilderung‘: Bauernrichter Rit-
ten, ‚Vorstellungen‘, Notizen u. Ä.“, Abt. „Pfurtscheller: Wirtschaftliche Situation d. Stubaitals
(1822/1825)“, Nr. 1 u. 2.
3 Vgl. Kap. 3.3.3.2., Anm. 196.
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435