Seite - 394 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
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394 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft
Michael Pfurtscheller selbst beschreibt im Jahr 1822 die Ende des 18. Jahrhunderts
aktiven Stubaier Handelskompanien. Sein „Verzeichnis der Stubajer Handels-Com-
pagnien – wie selbe gegen Ende des 18 Jahrhundert bestanden und wie selbe dermal
bestehen“ zählt nicht weniger als 27 Handelskompanien, die Ende des 18. Jahrhun-
derts bestanden, und die insgesamt 214 Teilhaber beziehungsweise Mitglieder ge-
habt hätten. Bemerkenswert ist dabei vor allem auch der offenbare Aktionsradius der
Stubaier Gesellschaften: Ungarn, Böhmen, Mähren, Österreich, Dalmatien, Krain,
Friaul, Venetien, die Schweiz, der Breisgau, Baden, Württemberg und Bayern werden
als die Tätigkeitsbereiche der Kompanien genannt. Die Zahl der Handelskompanien
ging jedoch, so Pfurtscheller, bis zum Jahr 1822 drastisch zurück. Allein schon an
der Zahl der Mitglieder ist diese Entwicklung deutlich ersichtlich. Diese sei auf 60
zurückgegangen, „die Verminderung erreicht beinahe ¾ Theile“, schreibt Pfurtschel-
ler.126 Bereits im Jahr 1808 hätten, so schreibt Landgerichtsassessor Johann von An-
reiter, nur noch 15 Handelshäuser mit deutlich weniger Mitgliedern als in den Jahren
zuvor bestanden.127 Auf die Krise der Handelskompanien am Übergang vom 18. ins
19. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Napoleonischen Kriege wird im folgenden
Abschnitt noch näher eingegangen werden.
6.3.3. Die Jahrhundertwende als wirtschaftliche Krisenzeit
Auf die wirtschaftlichen Turbulenzen Anfang des 19. Jahrhunderts wurde – mit be-
sonderem Fokus auf die Anfangszeit der bayerischen Regierung – an anderer Stelle
bereits hingewiesen.128 Dass die seit 1792 andauernden Kriege, zuerst gegen das re-
volutionäre, dann gegen das napoleonische Frankreich, eine Anspannung der wirt-
schaftlichen Lage in ganz Europa mit sich brachten, ist offensichtlich. Johann von
Anreiter meinte dazu im Jahr 1808:
„Leider aber führte der letzte Krieg so viele für die Fabrikanten in Stubay äuserst nach-
theilige Verhältnisse herbey, indem z. B. der sehr beträchtliche Absatz nach den Oester-
Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil A, Nr.
6. – Ein solcher Aufenthalt ist auch für den jungen Michael Pfurtscheller denkbar. (Vgl. Kap. 2.3.)
126 Vgl. „Verzeichnis der Stubajer Handels-Compagnien“, 23. August 1822, TLMF, Hist. Samml.,
Schachtel „Zünfte – Schmiede im Stubaital“, Nr. 22. – Erich Egg hat dieses Schriftstück irrtümlich
als vom 4. Mai 1812 stammend datiert. Es stammt jedoch zweifellos vom 23. August 1822.
127 Vgl. Johann von Anreiter beantwortet Fragen zum Stubaital, o. D. [1808], Statistische Nachrichten
vom Thale Stubay, zusammengestellt von Andreas Alois Dipauli, TLMF-Bib., Dip. 1035/III, Teil H.
128 Vgl. Kap. 3.3.3.3. – Auch die Überschwemmungskatastrophe vom 31. August 1807 ist im Zusam-
menhang mit der Krise der Metallwarenfabrikation in Fulpmes nochmals in Erinnerung zu rufen.
(Vgl. Kap. 3.3.3.1.)
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435