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236 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
Dezember 1813 verfasste Darstellung Pfurtschellers, die die Ruhe im Tal mit dem feh-
lenden Vertrauen in die führenden Köpfe des Aufruhrs begründet, kann schwerlich als
Tatsachenbericht betrachtet werden. Die Frage nach den einzelnen Faktoren, die zur
offenbaren Zurückhaltung im Landgericht Stubai in den letzten Monaten des Jahres
1813 beitrugen, muss auf Basis der vorhandenen Quellen also unbeantwortet bleiben.
3.4. Erbhuldigung 1838
Kaiser Franz war am 2. März 1835 in Wien gestorben, sein ältester Sohn Ferdinand
hatte daraufhin als Nachfolger den Thron bestiegen.770 Drei Jahre später gastierte
Ferdinand nun etwas über eine Woche lang, vom 9. bis zum 17. August 1838, in
Innsbruck, um die Erbhuldigung der Tiroler Stände persönlich entgegenzunehmen
– ein Prozedere, um dessen Abhaltung eine Tiroler Deputation den Kaiser bereits
im Jahre seiner Inthronisation in Wien ersucht hatte, so heißt es im Programm der
Huldigungsfeier einleitend.771 Hauptziel der kaiserlichen Reise war Mailand, wo Fer-
dinand zum König der Lombardei gekrönt werden sollte.772 Die Durchreise durch
Tirol wurde nun eben zur Erbhuldigung genutzt.
3.4.1. Erbhuldigung im Staat des 19. Jahrhunderts
Die Erbhuldigung, ein bis ins Mittelalter zurückreichendes Ritual, das über Jahrhun-
derte als „rechtskonstitutiver Akt […] ein wechselseitig bindendes Herrschaftsverhältnis
zwischen Herrschaft und Untertanen hervorbrachte“,773 indem die ständisch repräsen-
tierten Untertanen ihre Treue gelobten und ihnen im Gegenzug die Bewahrung alther-
gebrachter Privilegien und Freiheiten774 zugesichert wurde, erscheint im Jahr 1838, vor
dem Hintergrund des Wandels vom „ständischen Territorialstaat“ der frühen Neuzeit
770 Vgl. Gerd Holler, Gerechtigkeit für Ferdinand. Österreichs gütiger Kaiser, Wien–München 1986, S.
156–159.
771 Vgl. O. A., Aktenstücke der tirolischen Erbhuldigung im J. 1838, in: Neue Zeitschrift des Ferdinandeums
für Tirol und Vorarlberg 5 (1839), S. 1–22, hier: S. 2–10. – Es handelt sich hierbei um Abschriften des
Huldigungspatents des Kaisers, in dem die bevorstehende Erbhuldigung angekündigt wird, sowie des
am 4. August 1838 veröffentlichten „Programm[s] der Huldigungsfeier“. Ein gedrucktes Originalexem-
plar dieses Programms findet sich auch im Nachlass Michael Pfurtschellers. (Vgl. Programm Erbhuldi-
gungsfeierlichkeiten 1838, 4. August 1838, TLMF, Hist. Samml., Nachl. MP, II, Bund 2, Nr. 18.)
772 Vgl. Holler, Gerechtigkeit für Ferdinand, 1986, S. 181 f.
773 Vgl. Schwengelbeck, Politik, 2007, S. 13 f.
774 Zu den Privilegien und Freiheiten Tirols, der „Verfassung“ des Landes, und deren Bestätigung „bei
jeder Huldigung“ vgl. zum Beispiel: Von Schlachta, „Verfassung“, 2009.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435