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332 5. Familie Pfurtscheller
5.2.1.2. Michael Pfurtscheller und das Netzwerk der Leners
Die Tatsache, dass sowohl Anna Lener als auch Michael Pfurtscheller aus einer Wirts-
familie stammten – auch wenn die Gastwirtschaft im Fall Pfurtschellers nicht den
Haupterwerb der Familie ausmachte – weist bereits darauf hin, dass wirtschaftli-
che Überlegungen im Hinblick auf den Stand des Bräutigams beziehungsweise der
Braut in der Partnerwahl zumindest eine Rolle spielten. Josef Weingartner sieht ein
derartiges Standesbewusstsein im Heiratsverhalten von Wirtsfamilien in ganz Tirol.
„Fast alle Wirte“ hätten ihm zufolge „Töchter von Standesgenossen“ geheiratet.79
Diese Vernetzung der Wirtsfamilien zeigt sich im Fall der Leners jedoch nicht nur
im Hinblick auf die Partnerwahl: So heiratete Joseph Kupertin Lener, Annas älterer
Bruder, im Jahr 1806 Maria Theresia Lener, Tochter des Johann Lener, Wirt am
Brenner. Als Trauzeugen fungierten dabei der Wirt Johann Hofer aus Sterzing und
Franz Tiefenthaler, Wirt in Kematen.80 Bei der Hochzeit Anna Leners im Jahr davor
war Anton Seewald, Bierwirt in Mieders, der von ihrer Familie nominierte Trauzeu-
ge.81 Anna Leners Taufpatin war die Ehefrau des Pangratz Volderauer, Wirt in Telfes,
Gertrud Leitgeb.82 Die Familie der Anna Lener hatte schon seit Jahrzehnten ein Netz
aus Bekanntschaften und Verwandtschaft aufgebaut und gepflegt. So schreibt etwa
Granichstaedten-Czerva im Hinblick auf wichtige Akteure der Erhebung gegen die
bayerische Regierung Tirols im Jahr 1809 über die Verwandtschaftsnetzwerke der
Leners: „[Annas Bruder Joseph] Lener war auch mit Elias Domanig (1755 bis 1830),
Josef von Stolz und J. I. Straub (1773 bis 1850)83 verwandt, da eine Maria Lener von
Unterberg (1740 bis 1803) die Schwiegermutter der drei Genannten war.“84
Die verwandtschaftlichen Vernetzungen der Familie Lener lassen sich anhand die-
ser, von Granichstaedten-Czerva erwähnten Frau tatsächlich gut veranschaulichen:
Maria Elisabeth Lener wurde am 29. November 1740 als Tochter des Michael Lener
tiert sich also an der zeitgenössischen regionalen Diktion.
79 Vgl. Weingartner, Wirtsfamilien, 1956, S. 15; sowie besonders der Beitrag von Franz Kolb über die
Wirtsfamilie Lener im selben Buch: Kolb, Lener, 1956, S. 38.
80 Vgl. Tauf- und Trauungsbuch Mieders I, TLA, Mikrofilm Nr. 0640, Abschn. 1.
81 Vgl. ebd.
82 Vgl. Trauungsbuch Fulpmes II, TLA, Mikrofilm Nr. 0661, Abschn. 3.
83 Joseph Ignaz Straub (1772–1850) war der Besitzer des Wirtshauses „Zur Krone“ in Hall. Er soll füh-
rend an der Vorbereitung der Erhebung und an den Kämpfen des Jahres 1809 beteiligt gewesen sein.
1815 wird das Konkursverfahren über seine Besitzungen eröffnet, das Wirtshaus versteigert. 1823
wird ihm eine kaiserliche Pension zuerkannt. (Vgl. Wurzbach, Lexikon, Bd. 39, 1879, S. 312–317;
sowie: Der Bote von Tyrol, Nr. 55, 5. Juli 1815, Beilage Nr. 46, S. 263 f.)
84 Granichstaedten-Czerva, Alte Garde, 1932, S. 311. – Vgl. dazu auch: Engelbert Auckenthaler, Die
Sippe der Lener von Unterberg, in: Tiroler Heimatblätter 19 (1941), Heft 5/6, S. 79–83.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435